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Ein Macho auf Abwegen

Ein Macho auf Abwegen

Titel: Ein Macho auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hitzblech
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ich bin noch nie mit einer Frau ins Bett gegangen, die
das nicht genauso wollte!“, erklärte Marc. „Ja, und genau das muss Christina
wieder lernen. Sie traut keinem männlichen Wesen über den Weg. Glauben Sie mir,
sie muss furchtbar behandelt worden sein, und das steckt ganz tief in ihr. Sie
kann das nicht einfach von sich abschütteln. Sie braucht noch sehr viel Zeit!“
    Marc wurde jetzt einiges klar. Von dieser Seite aus
betrachtet waren ihm einige ihrer Reaktionen und Verhaltensweisen auf einmal
ganz natürlich und logisch. Christina hatte eine Horrorehe hinter sich. Deshalb
war sie auch immer so distanziert. Er hatte es ja schon lange vermutet. Ihr
ganzes feindseliges Verhalten hatte nur mit Angst und Mutlosigkeit zu tun.
Christina Klasen war ein Angstbeißer. Sie war wie ein kleiner verschreckter
Hund, der immer zuerst zubiss, um sich bei den großen Kollegen Respekt zu
verschaffen.
    Er versprach der Heimleiterin bei Frau Klasen zu bleiben und
sich sofort bei ihr zu melden, falls es Neuigkeiten gäbe, damit sie sich nach
der langen schlaflosen Nacht zu Hause ausruhen konnte.
    Er holte sich einen Stuhl heran und setzte sich neben ihr
Bett. Außer dem stetigen Piepsen der Überwachungsapparate war lediglich ab und
zu ein kaum hörbares Stöhnen von ihr zu vernehmen. Der Arzt hatte ihm gesagt,
er solle mit ihr reden. Aber was sollte er ihr denn sagen? Er überlegte
angestrengt. Es gab nicht so viel, was sie gemeinsam erlebt hatten, wenigstens
nicht viel Angenehmes. Er erzählte ihr zunächst einmal, dass Mia ihm heute
Morgen den Kopf gehörig gewaschen hatte, und seine Haushälterin ihn erfolgreich
davon überzeugt hätte, sich bei seiner Sekretärin zu entschuldigen. Dann
berichtete er ihr, wie er von ihrem Unglück erfahren hatte. „Wissen Sie, Frau
Klasen. Ich habe einfach nur an meinem Schreibtisch gesessen und darauf
gewartet, dass endlich diese verdammte Bürotür aufgeht, und Sie zur Arbeit
kommen. Ich konnte nichts anderes tun, als ewig auf die Uhr schauen. Ich hatte
gar keinen Kopf fürs Arbeiten!“ Er versuchte zu lächeln und schaute in ihr
blaugeschwollenes Gesicht. Sie reagierte nicht, schien tief und fest zu
schlafen. Es kam ihm ziemlich unwirklich vor, mit einer Person zu sprechen, die
ihn scheinbar gar nicht hörte. Er verspürte ein unlenksames Verlangen sie
anzufassen. Aber wo? Wo konnte er sie berühren, ohne ihr Schmerzen zuzufügen,
ohne ihr zu nahe zu kommen, ohne ihre Persönlichkeitsrechte zu verletzen? Ihre
rechte Hand war das einzige Fleckchen, welches sich dafür anbot. Diese kleine,
zarte Hand, die er beim Tanzen schon einmal halten durfte. Er legte seine Hand
ganz behutsam auf das scheinbar leblose Körperteil auf dem weißen Laken. Sie
fühlte sich wider Erwarten warm und entspannt an.
    Er erzählte ihr von Barcelona. Wie schön es gewesen war, mit
ihr zu tanzen oder gemeinsam mit ihr Schinkenbrot auf einer Brunnenmauer zu
essen. Er streichelte ihr über den Handrücken, doch sie reagierte nicht. Er
erzählte immer weiter. Von seinen Eltern, aus seiner Kindheit und Schulzeit,
und wie er seine ersten Schritte auf der Karriereleiter machte. Inzwischen
hielt er ihre Hand in beiden Händen. Auch das nahm sie nicht wahr. „Damals ging
es für mich immer nur zwei Schritte vor und einen wieder zurück. Ja, Frau
Klasen. So war das damals noch. Da gab es keine Fernsehshows, wo man mal ganz
schnell einen Plattenvertrag gewinnen konnte. Was nicht heißen soll, dass wenn
es diese Möglichkeit damals schon gegeben hätte, ich nicht der Erste gewesen
wäre, der sich dafür gemeldet hätte! Ja, aber was erzähle ich Ihnen? Sie kennen
mich ja inzwischen auch schon ein wenig. Ich hätte mich sogar vorgedrängelt, um
als Erster in der Warteschlange zum Casting zu stehen.“
    „Und ich habe noch nie jemanden an einem Bett einer
Intensivstation stundenlang händchenhaltend sitzen sehen, der den Patienten
siezt!“, unterbrach ihn die Stationsschwester und machte sich daran, die
Infusionsflasche auszuwechseln. „Oh, Frau Klasen ist meine Assistentin, und wir
arbeiten noch nicht sehr lange zusammen, wissen Sie.“
    „Na und?“
    „Ja, nichts, na und! Sie würde sich das verbitten, wenn ich
sie einfach so beim Vornamen nennen würde!“ Die Schwester konnte es gar nicht
glauben. Es handelte sich bei diesem Pärchen um Chef und Angestellte. Dieser
Chef war allerdings eindeutig verknallt in die Patientin. Soviel
Menschenkenntnis traute sie sich allerdings zu, um das zu erkennen. Da war eine
Menge

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