Ein Macho auf Abwegen
Salut!“
- 16 -
Den Wecker brauchte sie wahrlich nicht, um wachzuwerden. Was
war das für eine Nacht gewesen! Christina wusste gar nicht, ob sie überhaupt
richtig eingeschlummert war. Auf jeden Fall hatte sie immer wieder wachgelegen
und über den kommenden Tag nachgegrübelt. Sie konnte einfach nicht zur Ruhe
kommen, sich nicht von dem, was in ihrem Kopf vor sich ging, ablenken. Es
drehte sich alles nur um Marc. Tausend schlaflose Nächte hätten nicht länger
sein können, als die letzte Nacht ohne ihn, die letzte Nacht vor dem großen
Abenteuer, die letzte Nacht vor dem Tag der Tage. Ihr erhöhter Pulsschlag nahm
ihr schon beinahe den Atem, als sie endlich aufstand, um sich für den Tag
zurechtzumachen.
Marc hatte gestern Abend noch angerufen und ihr mitgeteilt,
dass seine Arbeit in Barcelona überraschenderweise doch schon erledigt sei, und
er gegen acht Uhr am Abend bei ihr wäre.
Du liebe Zeit! Morgen schon!, dachte Christina, als sie den
Hörer einhängte. Ihre Gefühle waren durch seine Anmeldung vollkommen
durcheinander geraten. Sie freute sich wirklich darauf, Marc wiederzusehen,
doch sie fürchtete sich vor ihrem eigenen Vorhaben. Eine innere Stimme, die wie
Pilar klang, murmelte unaufhörlich: „Du musst es doch gar nicht tun, Christina!
Du hast ihm doch noch gar nichts davon gesagt!“ Eine andere Stimme, die eher
wie ihre eigene klang, antwortete stets: „Ich möchte es aber! Ich will es!
Heute oder niemals!“
Sie schaute in den Spiegel – sie sah einfach zum Heulen aus!
Sie schien viel blasser zu sein als sonst, ihre makellose Bräune aus dem
Solarium schien gänzlich verschwunden zu sein. Die dunklen Ränder unter ihren
Augen ließen sie auch nicht gerade munterer aussehen. „Da müssen wir heute eben
ziemlich tief in den Farbtopf greifen!“, sagte sie zu ihrem Spiegelbild.
„Venga! Vamos!“
Als Gaby an der Haustüre schellte, fühlte sie sich bereits
erheblich besser. „Was ist mit dir denn los? Herzkasper, oder was?“, fragte
ihre Freundin, als Christina ihr beim Einschenken des Kaffees beinahe die heiße
Flüssigkeit über die Hand schüttete. „Ach, nichts“, wehrte Christina ab, „Ich
habe schon ein paar Tassen Kaffee intus. Das war wohl einer zuviel!“
„Aber sonst geht’s dir gut?“, fragte Gaby, weil Christina
nervös auf ihrem Stuhl hin und herrutschte. „Oder hast du’s an der Blase?“
„Ich bin nur ein bisschen aufgeregt, sonst nichts. Marc
kommt heute schon, und ich habe noch so viel zu tun. Ich dachte, ich hätte
einen Tag länger Zeit!“ Gaby kräuselte verständnislos die Stirn. „Du brauchst
mehr Zeit? – Wofür?“ Christina schaute mit großen Augen über den
Frühstückstisch. „Na, für die Vorbereitungen auf Marcs Rückkehr!“
„He? Wie bist du denn drauf? Er war nur drei Tage weg,
Christina. Was ist denn da so Besonderes dran? Was willst du vorbereiten?
Hausputz, oder so etwas?“ Christina machte eine abfällige Handbewegung. „Ja,
natürlich will ich die Wohnung in Ordnung haben ..., und ich möchte ein schönes
Abendessen kochen. Na, ja, außerdem wollte ich mir etwas Neues zum Anziehen
kaufen. Für das alles ist die Zeit ganz schön knapp!“
„Dann ziehst du halt ’was aus deinem Kleiderschrank an! Wir
können auch ein anderes Mal shoppen gehen.“ Das kam für Christina nicht in
Frage. Sie wollte zu diesem speziellen Anlass erstklassig aussehen, und dazu
gehörte nicht nur eine perfekte Frisur, sondern auch das vollkommene Kleid. Sie
wollte heute in erster Linie sinnlich und verführerisch aussehen.
„Rot? Seit wann trägst du rote Klamotten?“, staunte Gaby,
als Christina mit einem langen, feuerroten Kleid zur Anprobe verschwand. „Seit
heute, Gabylein. Heute muss es einfach rot sein!“ Gaby hatte schon Recht.
Christina trug niemals knallige Töne, eigentlich war schwarz ihre
Lieblingsfarbe, und der Inhalt ihres Kleiderschranks hatte fast nichts anderes
vorzuweisen. Gerade deswegen wollte sie heute anders sein. Ihre erste
gemeinsame Himmelsmission mit Marc wollte sie nicht als traurige „Lady cool“,
sondern als verführerische „Lady in red“ antreten.
Gaby traute ihren Augen nicht, als Christina in dieser
ungewohnten Aufmachung aus der Kabine trat. Das ärmellose Kleid passte wie
angegossen und schien eigens für Christina maßgeschneidert worden zu sein. Der
fließende Stoff schmiegte sich perfekt an ihre schlanke Figur und betonte
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