Ein Macho auf Abwegen
das
Wiederaufnahmeverfahren in die Wege geleitet. Es fehlt eigentlich nur noch der
Termin“, erklärte die Anwältin. „Und es kann wirklich nichts mehr schief
gehen?“, fragte Christina ungläubig. Pilar konnte sie beruhigen. „Nein,
wirklich nicht. Die Videos waren der Beweis für die Misshandlungen. Die
Gutachten von damals fallen jetzt ganz anders ins Gewicht. Der Staatsanwalt
wird Freispruch beantragen. Du brauchst noch nicht einmal anwesend zu sein.“
„Ich werde trotzdem kommen. Das will ich miterleben, Pili!“
„Das kann ich gut verstehen. Ich melde mich, sobald der
Termin feststeht. Schöne Grüße an deinen Superstar!“
Christina legte den Hörer auf, um den nächsten Anruf tätigen
zu können. Sie zitterte am ganzen Körper, als sie die Nummer des „Moreno del
Mar“ wählte. Sie hatte solche Panik davor, mit Manuel zu reden, und es wäre ihr
ganz recht gewesen, wenn die alte Nummer, die sie immer noch im Kopf hatte,
inzwischen geändert worden wäre. Sie hatte sofort ein Freizeichen in der
Leitung, und ein Mitarbeiter der Rezeption begrüßte sie auf Spanisch. Sie
nannte schüchtern ihren Namen und wünschte ihren Sohn zu sprechen.
Manuel nahm ihren Anruf schneller als erwartet entgegen:
„Hola, Mamá!“, rief er beschwingt. Christina konnte nichts mehr sagen. Der
Junge hatte sie Mamá genannt. So war sie seit Jahren nicht mehr angesprochen
worden. Vor lauter Rührung schnürte sich ihr Hals zu. „Hola, mein Sohn“,
vermochte sie nur noch zu murmeln. Manuel blieb unverändert freundlich. „Du
hast bestimmt ferngesehen“, sagte er. „Sí, hijo mío, habe ich.“ Ihre Stimme
zitterte nicht mehr ganz so stark. Sie hatte die anfängliche Mutlosigkeit überwunden.
„Manuel, ich ...“, fuhr sie fort. „Mamá, hör’ zu! Du brauchst mir nichts mehr
zu erklären. Ich weiß doch jetzt, wie alles gekommen ist, und ich war nicht
fair ...“
„Nein, Junge! Sag’ so etwas nicht!“, rief sie sattelfest in
den Hörer. „ICH habe alles falsch gemacht! Ich trage die Schuld – für alles.
Ich hätte deinem Vater damals Einhalt gebieten müssen. Ich hätte einfach mit
euch weggehen müssen. Ich war naiv, habe mich überschätzt. Wenn ich die ganze
Sache etwas anders angepackt hätte, würde dein Vater heute noch leben, und ich
hätte uns allen sehr viel Leid ersparen können. Ich habe die ganze
Verantwortung zu tragen, nicht du oder deine Schwester!“ Sie atmete einmal
erleichtert ein. „Manuel, ich freue mich so sehr, dass ich heute mit dir telefonieren
darf.“
„Ich mich auch, Mamá! Dein Marc ist ein ziemlich
hartnäckiger Typ, kann ich dir sagen. Der weiß, was er will!“, lachte er. „Ja,
da hast du Recht“, antwortete Christina nun ganz entspannt. „Bist du gut mit
ihm zurechtgekommen?“
„Sí, ich mag ihn sehr. Ihm scheint sehr viel an dir zu
liegen.“
„Ja, Manuel. Ich bin ihm sehr wichtig, und er ist mein
ganzer Halt geworden.“ Sie hätte niemals geglaubt, dass dieses Gespräch so
natürlich und entkrampft ablaufen würde. Marc schien in Marbella schon gute Vorarbeit
geleistet zu haben. „Wie geht es Isabel?“, erkundigte sie sich nach ihrer
Tochter. „Ihr geht es gut. Sie wird bald die Hotelfachschule abschließen und im
Hotel mit einsteigen.“
„Marc hat mir erzählt, dass du ihr es erst irgendwann sagen
wolltest. Weiß sie das mit dem Wiederaufnahmeverfahren schon?“
„Nein, ich habe ihr noch nichts gesagt. Sie steckt mitten in
den Prüfungsvorbereitungen. Ich wollte sie nicht ablenken.“ Ganz schön
vernünftig, mein Großer, dachte sie. „Das war sehr klug von dir, Manuel. Es
hätte ja auch noch etwas falsch laufen können.“
„No, no, das glaube ich nicht! Da denke gar nicht dran! –
Mamá, wir müssen noch so Vieles miteinander besprechen, aber ich denke nicht,
dass wir das am Telefon machen sollten. Kannst du nicht bald einmal kommen? Ich
kann hier im Moment schlecht weg, weil Tante Maite in Urlaub ist.“ Christina
dachte kurz nach. Sie hatte nicht alle Termine im Kopf, aber Marc hatte in
nächster Zeit einiges zu tun. Er wollte so schnell wie möglich aus dem
GBM-Gebäude ausziehen und die Stevens-Production ganz in die Villa verlegen.
Außerdem sollte bald sein neues Album erscheinen, und dafür waren noch einige
Vorbereitungen zu treffen. Dabei konnte sie Marc nicht alleine lassen, und ohne
ihn wollte sie auch nicht verreisen. „Ich glaube, bei uns ist es im Augenblick
auch ganz schlecht, Manuel. Aber ich werde es mit Marc
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