Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Macho auf Abwegen

Ein Macho auf Abwegen

Titel: Ein Macho auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hitzblech
Vom Netzwerk:
nicht
ganz anders aus? Christina hätte schwören können, dass sie langes blondes Haar
gehabt hatte. Jetzt waren ihre Zotteln dunkelblond und standen ihr ziemlich
kurz, krisselig und wild vom Kopf ab.
    Gestern-noch-Blondie erhob sich träge aus ihren Kissen.
„Wenn Sie schon einmal da sind, können Sie auch hier bleiben, Kindchen! Ich
habe sowieso nachher einen wichtigen Termin.“ Christina hielt die Luft an, um
nicht gleich laut loszuprusten. Wie hatte Blondie sie gerade genannt? Hatte sie
da richtig gehört? „Kindchen“, hatte sie zu Christina gesagt!
    Als Blondie im Badezimmer verschwunden war, begann Christina
mit ihrer Arbeit. Was ist denn das?, wunderte sie sich. Auf dem Tischchen in
der Ecke stand ein Styroporkopf mit einer wasserstoffsuperoxyden
Langhaarperücke. Du meine Güte! Was würde die Kleine wohl alles in dreißig Jahren
benötigen? Blondie kam wieder aus dem Bad zurück. „Kindchen, haben Sie sich
einmal die Obstschale angesehen? Wer soll denn davon noch etwas essen? ICH
etwa? Das steht ja mindestens schon seit vorgestern!“ Okay, der Kunde ist
König, dachte Christina und brachte die Obstschale sofort hinaus. An den
Früchten gab es überhaupt nichts zu beanstanden. Alles war noch frisch und
lecker. „Ich werde Ihnen gleich neues Obst kommen lassen“, antwortete sie
höflich, dachte aber gleichzeitig: Verwöhnte Göre! 
    Den Perückenkopf unter den Arm geklemmt, entschwand
Gleich-wohl-wieder-Blondie erneut ins Badezimmer. Christina machte jetzt
extralangsam. Sie wollte Blondies Verwandlung, aus Aschenputtel wird
Cinderella, live miterleben. Sie riss das Fenster auf und begann sorgfältig
damit, das Bett herzurichten. Danach wischte sie gründlichst Staub und saugte
gerade den Teppichboden ab, als Nein-was-bin-ich-blond aus dem Nebenraum kam.
Die Verwandlung war wirklich enorm und ihr Kopf schien zumindest fertig
verkleidet. Blondie hatte jetzt jede Menge Make-up im Gesicht pappen. Zwei
Pfund, ohne Knochen!, urteilte Christina. Die Blondperückte klimperte mit
überlangen, tiefschwarzen Kunstwimpern und hatte sich ihre Augenlider hatte in
aufdringlichstem Blau angepinselt. Die wulstigen, enorm aufgeblähten Lippen
waren mit einem fast schwarzen Konturenstift nachgezeichnet, und der Rest des
Mundes mit diamantglitzerndem Lippenstift ausgepinselt. Ferner thronte ihr
Wallblondhaar kunstvoll auf ihrem Kopf. „Ist ’was, Kindchen?“, fragte Blondie
das Zimmermädchen, als Christina den Mund vor Verblüffung fast nicht mehr zu
bekam. Christina räusperte sich kurz. „Nein, Nein. Es ist nur ... Sie sehen so
ganz ... anders aus, als vorhin!“ Blondie sah Christina verachtungswürdig an.
„Sie sehen bestimmt auch nicht wie ein Hollywoodstar aus, wenn Sie morgens aus
dem Bett kommen!“ Das Kunstgebilde ging zum Kleiderschrank und stand nun vor
der schwierigen Aufgabe, ihre heutige Garderobe auszuwählen. Christina schaute
ihr nach. „Nein, natürlich nicht, gnädige Frau“, antwortete sie und betonte
dabei das Wort „gnädige“ ganz extrem. „Darf ich jetzt das Badezimmer
saubermachen?“ Blondie schob ungeduldig die zahllosen Kleiderbügel auf der
Kleiderstange hin und her. „Nein, vorher müssen Sie noch unbedingt etwas für
mich erledigen!“ Sie hatte ein eierschalenfarbenes Kostüm aus dem
Schrankinneren gezogen. „Das muss schleunigst in die Reinigung, Kindchen!“
Christina nahm ihr die beiden Kleidungsstücke ab und stopfte Jacke und Rock in
den Sack für die Wäscherei. „Wird sofort erledigt!“
    „Sie müssen aber unter allen Umständen genauestens auf die
Pflegeanweisung achten! Es ist nämlich äußerst empfindlich, müssen Sie wissen.“
Christina nahm den Plastikbeutel. „Selbstverständlich! Ich kümmere mich darum.“
Blondie war jedoch immer noch nicht fertig. „Ich sage Ihnen das ja auch nur,
Kindchen, weil Sie sich sicherlich mit so etwas nicht auskennen. Das ist
nämlich ein Design von Loui-Loui! So etwas ist logischerweise sehr teuer, wie
Sie sich sicher denken können!“ Was denkt sich dieses ungezogene Püppchen
eigentlich?, dachte Christina, antwortete dennoch immer noch freundlich. „Oh,
Loui-Loui ist uns Zimmermädchen selbstverständlich ein Begriff! Wir kennen das
natürlich nur aus den Zeitschriften oder aus dem Fernsehen. Ich werde persönlich
für das Wohlergehen Ihres Kostüms sorgen, gnädige Frau“, versprach Christina
und zog übertrieben devot mit den Loui-Loui-Teilen ab.
    „Was für eine blöde Kuh! Die hat ja überhaupt keine
Manieren!

Weitere Kostenlose Bücher