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Ein Macho auf Abwegen

Ein Macho auf Abwegen

Titel: Ein Macho auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hitzblech
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würden. Trotzdem wollte sie von ihrer
Gewohnheit nicht einen Millimeter abrücken. Jede Woche einen Brief!
     
    Um Fünfzehn Uhr am nächsten Tag traf Christina zu ihrem
ersten Dienst im Frauenhaus ein. Einige der Frauen hatten schon eine Arbeit
gefunden und waren um diese Zeit gar nicht anwesend. Die anderen machten am
Vormittag sauber und kümmerten sich um das Mittagessen. Christina half den
Kindern in jedem Schulalter bei den Hausaufgaben. Danach spielte sie mit den
Kleinsten.
    Die Frauen und Kinder hielten sich in der Regel zwischen
drei bis sechs Monaten im Frauenhaus auf. Üblicherweise konnten sie danach in
eine städtische Sozialwohnung umziehen. Das Problem war nicht die Beschaffung
von geeignetem Wohnraum und den nötigsten Möbeln, sondern die Einstellung der
Frauen zu ihrer Situation. Nicht wenige empfanden sogar Mitleid für ihre
Prügelehemänner und suchten die Schuld bei sich. Man hörte solche Kommentare
wie: „Ich habe ihn ja auch oft genug provoziert, mit meiner großen Klappe. – Er
ist eigentlich gar nicht so. –  Wenn er nicht arbeitslos geworden wäre, hätte
er auch nicht angefangen zu trinken. –  Ohne die Sauferei, wäre das alles nicht
passiert“ Bevor sie nicht begriffen hatten, dass sie selber ausschließlich
Opfer ihrer barbarischen Männer waren, machte es keinen Sinn, sie in die
Selbständigkeit zu entlassen. Es kam auch vor, dass die Eine oder Andere von
sich aus wieder Kontakt zu ihrem Mann aufnahm und sich überreden ließ, wieder
in die gemeinschaftliche Wohnung zurückzukehren. In den allermeisten Fällen
hielten die Schläger ihre Versprechungen nicht lange ein, und das ganze Drama
begann von neuem.
    In diesem Punkt konnte Christina überhaupt nicht mitreden.
Sie hatte sich zu keinem Zeitpunkt die Schuld an Ángels Verhaltensweise
gegeben. Sie hatten bis zu seinem Tag X eine ganz normale Ehe geführt.
Selbstverständlich waren sie sehr oft verschiedener Meinung gewesen und hatten
sich gestritten. Aber das gab es doch in jeder Beziehung. Was wäre eine gute
Ehe ohne Auseinandersetzungen? Das gehörte doch zum Leben dazu! Sie konnte
damals auch keine allmähliche und schleichende Veränderung in seinem Benehmen
erkennen. Von Jetzt auf Gleich, einfach so, ohne Vorankündigung, war Ángel
nicht mehr der herzliche und fürsorgliche Ehemann, so als hätte er einen
Schalter in seinem Kopf umgelegt. Er war brutal über sie hergefallen, als hätte
er sich einer Gehirnwäsche unterzogen. Er hatte sich immer nur vergessen, wenn
es um Sex ging. Zu keiner Zeit hatte er sie außerhalb des Schlafzimmers
angegriffen. Im Alltag und auch mit den Kindern hatte er sich genauso wie
früher aufgeführt. Waren sie alleine gewesen, hatte er seiner Frau dagegen nicht
mehr normal entgegentreten können. Wahrscheinlich hatte er sich seines
Verhaltens so sehr geschämt, dass er sie lieber links liegen ließ. Sie hätte
gerne den Auslöser für seinen Sinneswandel gekannt. Allein schon, um das
Gericht von ihrer Glaubwürdigkeit überzeugen zu können. So zum Beispiel: „Herr
Richter, mein Mann hatte einen schweren Autounfall und musste sich einer
komplizierten Gehirnoperation unterziehen. Dabei ist den Ärzten ein
folgenschwerer Fehler unterlaufen, welcher eine Bewusstseinsstörung bei Ángel
auslöste.“ Irgendetwas in dieser Art, hätte sie gerne aussagen wollen, doch sie
hatte niemals herausgefunden, was mit ihm geschehen war. Sein Geheimnis hatte
er mit in sein Grab genommen, und niemand war mehr in der Lage es zu
enthüllen. 
     
    Christina machte die Arbeit im Hotel, auch wenn sie
körperlich beschwerlich war, gleichermaßen Spaß wie der Nebenjob im Frauenhaus.
Sie hielt ihr Zehn-Zimmer-Revier pikobello. Von Frau Schal wurde sie zwar nicht
sonderlich gelobt, doch Christina war bekannt, wie gerne Vorgesetzte damit
geizten. Sie ging davon aus, dass auch niemand etwas zu meckern hatte, denn die
Hausdame hatte bis jetzt an Christinas Leistung nichts zu beanstanden gehabt.
Ihre Zimmergäste jedenfalls waren offenbar zufrieden, denn sie gaben ihr
großzügige Trinkgelder. 
    Ihr Kellerloch hatte sie schon erheblich gemütlicher
ausgestattet. Das Gitterfenster war mit bunten Gardinen versehen. Ihre
Bettwäsche und einige andere Accessoires hatte sie farblich passend dazu
kombiniert. Auf dem Tisch stand immer eine Vase mit frischen Blumen, und sie
hatte ein kleines Regal über dem Bett aufgehängt, auf dem sich bereits eine
kleine Büchersammlung befand. Den alten Wecker, mit dem aufdringlich

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