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Ein Macho auf Abwegen

Ein Macho auf Abwegen

Titel: Ein Macho auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hitzblech
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schön! Das zu beobachten macht mir so viel Freude!“ Hilde Clemens nickte
zustimmend. Christina fuhr teilnahmsvoll fort. „Und die Augen, Hilde! Die der
Kinder und die der Frauen. Zu Beginn sind sie dermaßen traurig. Ihre Blicke
sind so anklagend, sie wirken wie zerbrochen. Und dann, eines Tages, sieht man
sie wieder leuchten! So, als ob man in ihnen wieder Lebensfunken gezündet
hätte! Ich denke dann immer: So ein ganz kleines bisschen hast du auch dazu
beigetragen, Christina!“
    Hilde Clemens rutschte auf ihrem Sessel ein wenig vor und
sah Christina jetzt tief in die Augen. „Christina, kann es sein, dass ich in
Ihren Augen schon oft diesen gleichen Schmerz gesehen habe? Liege ich da
richtig, wenn ich behaupte, dass Sie genau die gleichen Erlebnisse gehabt haben
wie unsere Hausbewohnerrinnen?“ Christina wich erschrocken zurück. Hilde hatte
sie offensichtlich durchschaut. Die Heimleiterin hatte so viel Erfahrung in
ihrem Job. Allem Anschein nach, konnte ihr niemand etwas vormachen. Christina
merkte, wie sich ihr Hals langsam zuschnürte. Jetzt bloß keine Attacke!, nahm
sie sich selber ins Gebet. Sie hatte keine andere Wahl. Sie musste Hilde jetzt
irgendeine Version erzählen. Die ganze scheußliche Wahrheit? – Nein. Nie im
Leben! Einen kleinen Teil davon – okay. Damit müsste sich ihre Chefin aber
zufrieden geben.
    Es war komplett still im Raum. Man konnte keinen Laut hören.
Hilde schaute ihr weiter eisern ins Gesicht. Christina musste sich erst ein
wenig sammeln, holte alsdann einmal kräftig Luft und erwiderte den Blick der
Heimleiterin. „Ja, Hilde. Das haben Sie richtig erkannt. Mein Mann ist mir
gegenüber auch handgreiflich gewesen.“
    „Wie lange haben Sie das mitgemacht, Christina?“
    „Fünf Jahre.“
    Ohne, dass sie es beabsichtigte, füllten sich Christinas
Augen mit Tränen. Sie schämte sich und schaute nach unten auf den Kaffeetisch.
„Bitte fragen Sie mich nicht nach Details, Hilde! Ich möchte bitte nicht
darüber sprechen.“ Hilde Clemens kam um den Tisch herum und legte einen Arm
tröstend um Christinas Schulter. „Das müssen Sie natürlich auch nicht,
Christina! Aber, wenn Sie irgendwann einmal das Bedürfnis haben sollten, können
Sie jederzeit zu mir kommen!“ Christina stand auf. „Danke. Das mache ich,
Hilde. Sie müssen mir nur etwas versprechen!“ Hilde nickte. „Bitte erzählen Sie
niemandem davon! Ich habe hier in Köln ein ganz neues Leben begonnen, ganz
unbelastet, und keiner soll das von mir wissen.“
    „Das verspreche Ihnen, Christina! Von mir erfährt keine
Menschenseele etwas“, antwortete die Heimleiterin.
     
    Wie immer, um acht Uhr morgens, begann Christinas Dienst auf
der dritten Etage. Vorher hatte sie bereits, gemeinsam mit der kompletten
Zimmermädchenmannschaft aus allen anderen Etagen, die Hotelhalle, das
Restaurant und andere gemeinschaftlichen Räume saubergemacht. Sie hatte in
dieser Woche Glück mit ihren Zimmergästen. Es waren fast alles
Geschäftsreisende, die wegen ihrer Meetings schon früh ihre Zimmer verließen.
So kam sie an diesem Tag zügig mit ihrer Arbeit voran. Die Frühstückspause war
schon vorbei, und das nächste Zimmer, welches sie in Ordnung bringen wollte,
war die Nummer 328.
    Das Hinweisschild hing mit der grünen Seite „Bitte Zimmer
aufräumen“ von außen am Türknopf. Christina klopfte dessen ungeachtet trotzdem
noch einmal an, bevor sie mit ihrem Generalschlüssel die Tür öffnete. Der Gast
in diesem Zimmer war äußerst unordentlich. Gestern hatte sie sich bereits
darüber geärgert, dass sie  alles Mögliche vom Fußboden aufheben musste, bevor
sie staubsaugen konnte. Überall hatte sie Bonbonpapierchen, Obstschalen oder
Apfelketschen gefunden. Fast der vollständige ehemalige Inhalt der Minibar war
über das ganze Zimmer verstreut gewesen. Leere Fläschchen auf dem Nachttisch,
Erdnüsse, Kartoffelchips und Kekskrümel im ganzen Bett verteilt. Und dann auch
noch das Badezimmer! Na, hoffentlich hat der Typ heute mal die Klobürste
benutzt!, wünschte Christina sich. Das war nämlich ganz bestimmt nicht die
Aufgabe der Zimmermädchen! Manche Gäste dachten offensichtlich, so etwas gehöre
zum ganz normalen Hotelservice dazu. Heute sah es, genau wie erwartet, auch
nicht besser aus. Stinkende Socken, getragene Unterhose und Oberhemd, alles war
über den Boden verstreut. Christina fluchte leise vor sich her. „Altes Ferkel!“
Um den Raum kräftig durchzulüften, riss sie zuerst einmal das Fenster weit auf.
Sie

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