Ein Macho auf Abwegen
Regelmäßigkeit in Tränen aus. Seine Aufgabe bestand nun darin, sie zu
trösten und aufzumuntern, was er im Grunde furchtbar gerne tat.
Marcs Vorliebe bei Filmen galt der Action- oder Science-Fiction-Sparte.
Christina fand diese Art von Unterhaltung einfach nur beschränkt, genau wie
alles, was mit Sport zu tun hatte. Anstatt sich ersatzweise mit anderen Dingen
zu beschäftigen, stand sie irgendwann auf, um sich ihre heißgeliebten Kartoffelchips
zu holen. Ihren übermäßigen Kalorienverbrauch rechtfertigte sie lediglich mit:
„Ich mache morgen FdH.“ Nun riss sie lustvoll die Plastiktüte auf, suchte sich,
unter nicht enden wollendem Knistern der Kunststoffverpackung, den wohl
schönsten und größten Chip heraus und zermalmte ihn anschließend nicht weniger
lautstark und genüsslich zwischen ihren Zähnen. Marcs Versuch, wenigstens das
Plastiktütengeraschel vermeiden zu wollen, endete kläglich, als er ihr eine
Schüssel aus der Küche holte und die fettigen Chips dorthinein umfüllen wollte.
„Ne, Marc. Das ist jetzt aber echt ungemütlich! So schmecken die doch gar
nicht! Ne, Schüssel? Ohne mich!“
„Aber ich verstehe deswegen überhaupt nichts mehr!“,
beschwerte er sich. „Na, dann mach’ halt lauter, cariño!“, war ihr Angebot zur
Problemlösung. Also lief der Fernseher so laut wie bei Hörgeschädigten in einer
Seniorenresidenz. Einfach grauenhaft! Eines hatte Marc allerdings schnell
gelernt. Solange sie mit ihren Chips beschäftigt war, ließ sie ihn wenigstens hinsehen,
wobei sie ihn jedoch ständig durch unqualifizierte Zwischenfragen störte. „Das
mit dem Abseits verstehe ich nicht. Wie war das noch mal?“ So probierte er ihr,
mehr oder minder ausdauernd, die Fußballregeln beizubringen, musste aber jedes
Mal erleben, dass sie das Regelwerk seines Lieblingssportes nicht wirklich
interessierte.
Bei Actionfilmen kamen auch noch ihre missbilligenden
Anmerkungen dazu. „Findest du das denn jetzt realistisch? Als ob ein Mensch
jemals so weit springen könnte! Pah, so ein Quatsch!“, oder „Jetzt sag’ mir
doch mal, woher der Typ weiß, wo der andere sich versteckt hält. Ne, wie
schwachsinnig! So ’was gibt es doch in echt gar nicht! Lass du dich mal für
dumm verkaufen, ich nicht!“
Hinterfragte er den Sinn des einen oder anderen
Liebesfilmes, antwortete sie: „Ach, du bist eben nicht romantisch, Marc!“ Sie
ließ sich dann immer bereitwillig vom Gegenteil überzeugen, denn Marc war der
romantischste Mann, den sie jemals kennen gelernt hatte.
War ihre Knabbertüte bis auf den letzten Krümel geleert,
warf sie das leere Plastik in hohem Bogen von der Couch auf den Tisch und
widmete ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Ihre Ablenkungsmanöver begannen mit
gründlicher Nacken- und Rückenmassage, gingen weiter mit Haarkraulen,
zärtlichen Küssen und anschließender Komplettbefingerung. Gegen derartige
Attacken war er zweifelsohne keinesfalls gewappnet, und sein spannender
Sportabend endete üblicherweise im Schlafzimmer.
Ein ganz wichtiger Punkt, welcher ihn wahrhaftig an ihr
störte, war ihre Sparsamkeit, die er lieber als Geiz bezeichnete. Diese Note
galt jedenfalls nur für ihre eigenen Bedürfnisse, wenn man mal die Bedürfnisse
ihres übermäßigen Gebrauchs an Hautcremes aller Art außer Acht ließ. Sie liebte
es, mit ihm durch die Hamburger Herrenausstattergeschäfte zu bummeln und
ermunterte ihn dazu, sich schicke Sachen zu kaufen. „Schau mal, Marc, was für
ein tolles Hemd und diese Lederhose erst mal!“ Sie verdonnerte Marc dazu, alles
anzuprobieren, und was ihr gefiel, wurde mitgenommen.
Beabsichtigte er jedoch für sie einzukaufen, wehrte sie
konstant ab. „Ich habe genug Klamotten. Du brauchst ständig etwas Neues, ich
nicht!“
Marc hatte, im Kontrast zu anderen Männern, überhaupt kein
Problem damit, schöne Wäsche für Christina auszusuchen und zu kaufen. Er hatte
ein Faible für ausgefallene Dessous und gab das auch offen zu.
So standen sie einmal mehr vor dem Schaufenster eines
Dessous-Geschäftes und schauten sich die Auslagen an. „Das Schwarze da ist
hübsch“, sagte er. „Ich brauche aber nichts zum Anziehen“, antwortete sie und
zog ihn weiter. Doch er hielt sie zurück. „Das ist doch auch nichts zum
Anziehen. Ich würde sagen, damit macht man eher das Gegenteil. Das würde ich
dir so gerne mal ausziehen, Prinzessin!“ Sie musterte das sündhaft teure Nichts
in der Auslage. „Hast du mal auf den Preis geschaut, loco? – So viel Geld für
so
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