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Ein Macho auf Abwegen

Ein Macho auf Abwegen

Titel: Ein Macho auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hitzblech
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starrte auf ihre streichelnde Hand und
sah alles nur noch verschwommen, weil die Tränen ihr immer mehr den Blick vernebelten.
Marc schäumte vor Zorn beinahe über und donnerte sie an: „Ich fühle nichts! Ich
spüre rein gar nichts, Christina!“ Sie antwortete nicht. „Fester! Mach’
fester!“, brüllte er, doch sie reagierte nicht. „Ich habe gesagt, du sollst
mich fester anfassen!“ Christina schüttelte den Kopf. „Marc, bitte! Es werden
doch noch Untersuchungen gemacht. Das muss doch nicht so bleiben. Bitte reg’
dich nicht auf! Beruhige dich doch, bitte!“
    „Ich will mich aber nicht beruhigen!“ Seine Stimme
überschlug sich, und er hieb wie wahnsinnig mit den Fäusten auf seine scheinbar
leblosen Beine ein. Christina fühlte sich absolut ohnmächtig und wusste nicht,
wie sie ihn stoppen sollte. Er hatte vollkommen die Beherrschung verloren. Er
packte ihre Hände, riss sie mit ganzer Kraft zu sich herum, schaute sie wie ein
wild gewordenes Tier an und brüllte: „Christina, Schau mich an! –  Du sollst
mir verdammt noch mal in die Augen sehen!“ Kraftlos und schwerfällig hob sie
ihren Kopf und sah ihn an.
     
    Marc ließ sich vollends entkräftet auf sein Kissen fallen
und schloss für eine Sekunde seine Augen. Christinas Blick war endlos traurig,
unbeschreiblich besorgt und enorm selbstquälerisch gewesen. Sie hatte
ungeheuerliche Angst, ihm die Wahrheit zu sagen, einfach nur eine gottverdammte
Scheiß-Angst vor diesem unausweichlichen Augenblick der Wirklichkeit.
     
    Er atmete mehrmals tief ein und versuchte seine Gefühle
wieder unter Kontrolle zu bekommen. Er musste sich jetzt bändigen, um ihr die
Möglichkeit zu geben, ihm den ganzen unerträglichen Stand der Dinge zu
offenbaren. Es herrschte eine beklemmende Stille im Raum. Die einzigen
vernehmbaren Geräusche waren seine profunden Atemzüge und ihr hilfloses
Schluchzen, bis er durch und durch gefasst, aber kaum hörbar weitersprechen
konnte. „Was war noch, Christina? Was haben diese verdammten Kugeln noch alles
angerichtet? Bitte, sag’ es mir!“
    Sie konnte ihm nicht mehr mit Halbwahrheiten kommen. Er
hatte doch sowieso schon selber herausbekommen, dass mit seinen Beinen etwas
nicht in Ordnung war. Wenn sie es ihm jetzt nicht sagte, würde sie ihre
Vertrauensstellung bei ihm verlieren, und sie würde ihre Liebe verraten. Er
zählte auf sie und musste sich jetzt voll und ganz auf sie verlassen können.
    In guten und in schlechten Tagen. Sie war seine Frau, und er
hatte ein Anrecht auf rückhaltlose Aufklärung über seinen Gesundheitszustand.
    Sie schluckte einmal kräftig. „Sie hat dir nur in den Bauch
geschossen, aber eine Kugel muss wohl durch die Bauchhöhle geschossen sein und
ist in deiner Wirbelsäule stecken geblieben. Die Ärzte sagen, dass eine Lähmung
aufgrund der Operation entstanden sein könnte, und dieser Zustand vermutlich
nur ein paar Tage anhalten wird. Du wirst morgen früh noch einmal gründlich
untersucht. Erst dann kann man mehr sagen.“
    Er drehte den Kopf zur Seite und starrte an die kahle Wand
des Krankenzimmers. Christina wagte es nicht, noch etwas zu sagen. Es herrschte
Grabesstille im Raum.
     
    In Marc brach gerade eine Welt zusammen. Wenn diese Lähmung
doch nicht von der Operation käme, wenn diese eine Kugel sein Rückenmark
verletzt hatte, was wäre dann? Nie wieder laufen? Vielleicht könnte er niemals
mehr auf eigenen Beinen stehen. Müsste er den Rest seines Lebens im Rollstuhl
sitzen? Das konnte doch nicht sein! –  Einfach so. Zack –  und alles ist vorbei?
Er weinte wie ein kleiner Junge, und die Tränen liefen ihm in einem fort über
das Gesicht. Christina strich ihm sachte über das Haar. „Wir müssen fest daran
glauben, dass das bald vorbei ist, hörst du? Wir müssen Geduld haben,
wenigstens bis morgen nach diesen Untersuchungen. Aber egal, was sein wird. Ich
liebe dich! Ich werde dich immer lieben, Marc!“
    Er starrte an die Zimmerdecke, reagierte nicht mehr auf sie
und brachte kein Wort heraus. Er sah erbärmlich und hoffnungslos aus.
    Das Eintreffen der Ärzte durchbrach das große Schweigen im
Zimmer. „Guten Abend, Herr Stevens. Ich bin Professor Spengler. Ich habe Sie
vorhin operiert.“ Marc reagierte nicht auf die Begrüßung des Mediziners. Er
schien gar nicht mehr mit im Raum zu sein, denn sein unbeweglicher Blick
richtete sich beharrlich nach oben. „Herr Stevens, können Sie mich hören?“
Professor Spengler beugte sich über ihn, doch Marc starrte einfach durch

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