Ein Macho auf Abwegen
einen herablassenden und
hasserfüllten Blick über den Tisch. „Und dann kam die da!“, rief sie verbittert
und zeigte mit dem Finger auf Christina. „Sie hat alles kaputtgemacht! Sie hat
dich um den Finger gewickelt! Ich wusste sofort, dass das etwas Ernstes wird mit
euch. – Und ich konnte das doch nicht zulassen!“ Sie schaute Marc beschwörend
an. „Ich konnte doch nicht tatenlos dabei zugucken, wie sie mir meinen
Traummann einfach so wegnimmt.“
Marc schüttelte verständnislos den Kopf und sah Christina
an. Ihre Blicke trafen sich. Das konnte Sylvia nicht ertragen, und sie verlor
restlos ihre Beherrschung. „Du müsstest dich mal selber dabei beobachten, wie
du sie anschaust!“, brüllte sie unbeherrscht los.
Christina wunderte sich stillschweigend über Marc. Er ließ
sich nicht provozieren und auf Sylvias Ebene hinunterziehen. „Christina ist die
Frau, die ich liebe“, sagte er laut und deutlich und nahm Christinas Hand.
Sylvias blauen Augen wurden immer finsterer, und sie antwortete voller Hass:
„Ja, ich weiß das, Marc! Und deswegen musste sie auch weg! Wenn ich dich nicht
bekommen kann, dann soll dich auch keine andere bekommen. Keine!“ Ihr Blick
wurde jetzt wieder etwas sanfter. „Verstehst du das? Ich wollte dir nichts tun,
Marc.“
Niemand sagte etwas. Sylvia wollte also Christina
erschießen. Das war ja eigentlich auch das Logischste. Wieso sollte sie ihren
„Dreamlover“ umbringen wollen? Der sollte ihr ja gesund und munter zur
Verfügung stehen.
Sylvias Gesichtszüge hatten sich total verändert. Ihr Blick
schien entrückt. Sie schien wieder am Tatort zu sein, wieder auf der Hochzeit
und sprach sehr leise. „Sie war auf der Tanzfläche in ihrem weißen Brautkleid.
Sie war so fröhlich, so glücklich! Ich konnte das nicht ertragen. Ich zielte
und drückte ab. Aber was musste die sich in dem Moment auch ’rumdrehen? Sie ist
schuld, Marc! Nur wegen ihr habe ich dich getroffen! Ich war außer mir, und ich
weiß überhaupt nicht, warum ich dann weiter abdrückte. Es tut mir leid, Marc!
Ich wollte das alles nicht!“
Diese Frau lebte auf einem anderen Stern. Sie hatte sich
eine Scheinwelt aufgebaut und glaubte an alles, was sie sagte. Sie war davon
überzeugt, dass Marc für sie bestimmt war. Sie war das Dornröschen, und Marc
Stevens ihr Märchenprinz, der sie aus ihrem tristen Dorfleben retten sollte.
Sie hatte sich von Christina massiv bedroht gefühlt. Zum Zeitpunkt ihrer Tat
wusste sie ganz genau, was sie anrichtete. Das war eindeutig ein Mordversuch!
Sie war mit der Absicht einen Menschen zu töten nach Hamburg gekommen. Sylvia
hatte es vorher genau geplant und dann auch eiskalt durchgezogen. Das
Erschreckendste war allerdings, dass sie sich absolut frei von jeder Schuld
fühlte. Von wegen Täter-Opfer-Ausgleich!, dachte Christina. Die sieht sich gar
nicht als Täterin! Die Täterin bin ich, und Sylvia Hofmüller und natürlich ganz
aus Versehen auch Marc sind meine Opfer! Christina musste sich stark
zusammennehmen, um nicht aus der Haut zu fahren.
„Es ist mir ziemlich egal, ob Sie mir persönlich oder meiner
Frau etwas antun wollten. Das macht keinen Unterschied. Wäre Ihnen meine Frau
zum Opfer gefallen, hätten Sie mir das Liebste und Wertvollste genommen, was
ich jemals hatte. Verstehen Sie das, Frau Hofmüller? Dafür hätte ich Sie
gehasst!“, sagte Marc tief bewegt. Sylvia schaute ganz aufgeregt und erwartungsvoll
zu ihm hinüber. „Das heißt doch, du hasst mich jetzt nicht?“
Jetzt konnte Christina nicht mehr stillhalten. Sie sprang
ruckartig von ihrem Stuhl auf und antwortete, bevor Marc es tun konnte. „Wir
verachten Sie, und wir verabscheuen Sie für das, was sie uns angetan haben! Sie
haben unser Leben zerstört, so oder so! Egal wer von uns, von Ihnen gewollt
oder nicht, die Kugeln aus ihrer Pistole abbekommen hat! Wir hatten noch so
viel vor, so viele Pläne ...“ Christina sank kraftlos auf ihren Stuhl zurück.
Zum ersten Mal mischte sich Sven Erbach, der Psychologe, in
das Gespräch ein und richtete das Wort an Sylvia. „Frau Hofmüller, ich glaube
Sie haben die Tragweite Ihrer Tat immer noch nicht realisiert. – Herr Stevens,
könnten Sie uns bitte erzählen, was sich seit jenem Tag für sie geändert hat?“
Marc überlegte einen kurzen Augenblick. „Tja, wie Sie sehen,
sitze ich in einem Rollstuhl. Ich kann weiterhin komponieren und produzieren.
Singen kann ich auch noch. Aber in diesem Zustand werde ich nie wieder Konzerte
geben
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