Ein Macho auf Abwegen
‘was gibt’s nicht im Sonderangebot! Und bei mir kommt immer alles
schlimm, Herr Personalchef! Und wovon, mein Lieber, soll ich das bitteschön
alles bezahlen, ohne Job?
Herr Korinth, auf der anderen Seite der kommoden Sitzgruppe,
setzte seine Rede fort: „Tina Olsen, die Assistentin von Marc Stevens, ist
schwanger.“ Er lächelte Christina würdevoll an, so als ob er ihr gerade den
neuesten Knaller des Verlages auf einem Silbertablett serviert hätte, oder er
selbst der zukünftige Opa wäre. Genau so als wäre Tina Olsens Schwangerschaft
das grandiose Ziel, das höchste Glück des Musikverlages GBM. – War Mister
Superstar etwa doch der Vater? War es das, was den Personalchef so freudig
stimmte?
„Ja, das weiß ich“, sagte Christina kurzangebunden, ohne zu
durchschauen, was das alles mit ihr zu tun hatte. Sie sah Herrn Korinth fragend
an. Warum sagte er nichts mehr?
„Ja, und?“, fragte sie provokant. „Frau Olsen ist heute
Nacht ins Krankenhaus gekommen. Es hat Komplikationen gegeben,“ berichtete der
Personalchef weiter.
„Oh, das tut mir aber leid! Hat sie etwa ihr Kind verloren?“
Christina war bestürzt über diese Nachricht. Tina war wirklich ein liebes
Mädchen, und sie hatte sich so sehr auf ihr Baby gefreut.
„Nein, das hat man verhindern können. Sie wird sich aber
einem operativen Eingriff unterziehen müssen. Kurz und gut. Frau Olsen wird für
die nächsten Wochen ausfallen, und Sie sollen ihre Vertretung übernehmen.“
Christina begriff erst einmal nicht das Geringste und
starrte Herrn Korinth mit offenem Mund an. „Ich?!“, polterte sie viel zu
schrill los. „Ja, warum denn gerade ich?“
Der Personalchef legte die Stirn in tiefe Falten, schüttelte
einigermaßen verständnislos den Kopf, schmunzelte dann aber wieder zu ihr
hinüber. „Sie tun ja gerade so als ob man Sie in den Kerker werfen wollte!
Ha, ha, ha!, dachte Christina nur, Wie witzig!
„Wir haben Marc Stevens heute morgen einige Personalakten
vorgelegt, und er hat sich für Sie entschieden.“ Als wäre er vom Superstar
persönlich gehuldigt worden, setzte der Personalchef sich mit viel Ehrgefühl
aufrecht hin und wunderte sich, warum diese Frau Klasen, trotz ihrer soeben
zuteil gewordenen Auszeichnung, immer noch nicht strahlte wie ein
Honigkuchenpferd. Er schaute sie erwartungsvoll an und hielt seine Mundwinkel
tapfer nach oben gerichtet. Er rechnete bestimmt damit, dass sie ihm jeden
Moment in die Arme springen würde, vor lauter Rührung und Dankbarkeit.
Typisch dieser blöde Obermacho Stevens! Sie wurde noch nicht
einmal gefragt, ob sie überhaupt Lust hatte Tinas Vertretung zu machen.
Korinth rutschten die Mundwinkel allmählich wieder nach
unten, und seine Sorgenfalten erschienen erneut auf seiner Stirn. Er wartete
auf irgendeine Reaktion von Frau Klasen.
„Entschuldigung, Herr Korinth. Ich kann diese Entscheidung
nicht ganz nachvollziehen.“ Sie dachte kurz nach, welche Gegenargumente sie
anbringen konnte. „Erstens bin ich viel zu alt für Herrn Stevens ... Zweitens
habe ich gar keine Erfahrung als Sekretärin ... Und drittens ...“
Zu drittens fiel ihr so spontan gar nichts ein. „... und
drittens ... gibt es im communicationcentre sicher noch einige andere, die
bereits viel länger hier arbeiten und mindestens genauso qualifiziert sind wie
ich. Ich denke da zum Beispiel an Gaby Frentzen.“
Als hätte ihm Christina gerade von außerirdischen Lebewesen
berichtet, die in ihrer Nachbarschaft wohnten, schüttelte der Personalchef
verständnislos sein schütteres Haupthaar. Herr Korinth konnte gar nicht
glauben, was er da soeben vernommen hatte. Hatte er etwas an den Ohren, oder
hatte diese Frau den Verstand verloren?
Er setzte wieder seine autoritäre Personalchefmiene auf und
stellte ganz unmissverständlich und unwiderruflich fest: „Marc hat sich für Sie
entschieden, Frau Klasen! Ich kenne seine Beweggründe nicht, aber er wird sich
dabei schon etwas gedacht haben. Selbstverständlich wird Ihr Einkommen
entsprechend ihres Aufgabenbereiches erhöht.“ Er konnte Christinas
Zurückhaltung überhaupt nicht verstehen. Jede andere hätte sich dafür geprügelt
diesen Job zu bekommen. „Außerdem werden Sie beim Verlag angestellt bleiben.
Wir leihen sie sozusagen nur an die Stevens-Productions aus. Es werden Ihnen
also keine Nachtteile daraus entstehen.“
Ganz langsam begriff Christina, dass sie gegen Stevens
Entscheidung nichts tun konnte. Allem Anschein nach, schien er in
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