Ein Macho auf Abwegen
aus!
„Guten Tag, Frau Klasen. Es freut mich, dass sie mir helfen
wollen.“
Wollen ist gut!, dachte Christina.
Als ihre erste Amtshandlung, übergab sie ihm ihre
Notizzettel. „Es gab einige Anrufe. Ich habe alles für Sie notiert.“ Stevens
überflog kurz ihre Aufzeichnungen und entschied, was er selber erledigen würde,
und was Christina übernehmen sollte. „Und was wäre sonst mein Tätigkeitsfeld?“,
wollte sie noch wissen.
„Ja, gute Frage! Im Grunde alles, was anfällt. Tina hatte
eigentlich immer alles auf dem Laufenden. Bei mir gibt es ständig etwas Neues.
Sie müssen Termine machen, Anrufe tätigen und entgegennehmen und alle
erforderlichen Schreibarbeiten natürlich. Kurz und gut: Die komplette Firma
organisieren!“ Er grinste neckisch. „Ach ja, und immer da sein, wenn ich Sie
brauche!“
Witzbold!, dachte die frischgebackene Superstarassistentin.
„Ich habe Kaffee gemacht, Herr Stevens. Möchten Sie einen?“, fragte sie ihn.
„Oh ja, gerne! Können Sie mir sofort ‘reinbringen.“ Er verschwand in sein Büro.
Tür zu!, hätte Christina am Liebsten laut gerufen, aber er ließ sie offen
stehen.
Sie kam mit ihren Aufgaben sehr schnell zurecht. Bald konnte
sie beispielsweise schon selbst erkennen, welche Anrufe abgewimmelt und welche
für Stevens wichtig waren. Er mischte sich gar nicht ein und ließ ihr bei ihrer
Arbeitsorganisation weitgehend freie Hand.
Stevens hatte ständig irgendwelche Besprechungen mit
verschiedenen Interpreten, Tontechniker oder der Führungsriege des Verlages,
und Christina kümmerte sich um deren Bewirtung. Täglich kam haufenweise
Fanpost, die sie zu bearbeiten hatte. Die Autogrammwünsche wurden erfüllt, wenn
die Absender einen frankierten und adressierten Rückumschlag beigefügt hatten.
Christina hatte eine ganze Kiste mit Autogrammkarten vorrätig. Die
Unterschriften waren immer an der gleichen Stelle und glichen sich wie ein Ei
dem anderen. Offensichtlich waren sie nur aufgedruckt. Sie war mächtig erstaunt
über so manchen Inhalt der Briefe. Manche erzählten ihm sein ganzes Leben und
fragten ihn sogar um Rat. „Was mache ich mit solchen Briefen hier, Herr
Stevens?“ Er nahm eines der vielen beschriebenen Blätter, überflog den Inhalt
einmal flüchtig. „Gar nichts. Akte P – Ab in den Schredder!“
„Auch kein Autogramm?“ Er warf den Wisch abfällig wieder auf
den Stapel zurück.
„Tun Sie so, als hätten wir diese Post nicht bekommen! – Ab
damit, in den Papierkorb!“
Christina selbst hatte aber viel öfter Besuch als ihr
Promichef. Gaby hatte in letzter Zeit eine regelrechte Reizblase bekommen.
Jedes Mal stand sie, so als würde sie sich im vorzeitigen Klimakterium befinden
und unter Hitzewellen leiden, mit tomatenrotem Gesicht im Türrahmen. „Na, wie
ist er denn so?“, platzte sie fast vor Neugier. „Na ja. So weit, ganz okay“,
antwortete Christina gleichgültig. „Ja, wie jetzt, ganz okay? Ist er
freundlich? Ist er streng? Ist er locker drauf oder arrogant? Nun sag’ doch
schon, Christina!“ Christina verdrehte genervt die Augen. „Er ist ganz normal.
Wie du und ich, mehr nicht!“
„Stellst du ihn mir denn mal so richtig vor? – Tina hat das
nie getan. Schließlich bin ich ja deine Ex-Kollegin ... und Nachbarin.“ Christina
konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Warum sollte sie der Kleinen diese
Möglichkeit verwehren? „Na klar, wird gemacht, Gaby! Bei der nächsten
Gelegenheit, mache ich dich mit ihm bekannt. Ich verspreche es dir. Aber du
darfst nicht wieder alle Viere von dir strecken! – Außerdem bist du nicht nur
meine Ex-Kollegin, sondern auch meine Kollegin in Spe und meine Nachbarin und
meine beste Freundin!“
Gaby erhob sich sofort wieder. „Okay, alles klar! Ich komme
dann später noch mal wieder. Vielleicht ist er dann da.“
„Gabylein!“, rief Christina ihr nach. „Versuche aber bitte
mindestens zwei Stunden einzuhalten, ja? Du bekommst Ärger mit Anita, wenn du
dauernd weg bist.“
„Aber auch nicht länger!“, versprach Gaby und verschwand.
Stevens hatte meistens gute Laune, war freundlich und gab
sich seriös. Er gab Christina höflich Anweisungen und bedankte sich für alles.
„Vielen Dank, Frau Klasen! – Nett von Ihnen! Wie gut, dass wenigstens Sie
daran gedacht haben!“ Christina erledigte dagegen ihre Arbeit so gut sie
konnte, aber nicht mehr. Sie gab sich zurückhaltend, emotionslos und
unterkühlt. Stevens sollte bloß nicht auf den Gedanken kommen, dass er sich
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