Ein Macho auf Abwegen
an
sie heranmachen könne!
Marc konnte an ihrem Verhalten im Großen und Ganzen fast nie
erkennen, in welchem Gemütszustand sich seine Sekretärin gerade befand. Sie
schaute immer unverändert eisig und sprach mit ihm nur das Nötigste. Es gab
zwischen ihnen kein privates Wort und keine kleine Unterhaltung über dieses
oder Jenes. Wenn er versuchte, mit ihr über das arbeitsinterne Maß hinaus zu
sprechen, würgte Frau Klasen ihn sofort mit irgendwelchen Belanglosigkeiten ab.
Gaby war wieder einmal zu Besuch. Sie wollte alles über
Stevens wissen. „Hat er eigentlich wieder jemanden?“
„Nicht, dass ich wüsste. Ab und zu ruft mal eine an, aber
nicht regelmäßig“, beruhigte Christina sie. „Möchtest du einen Kaffee, Gaby?“
Die Frage war eigentlich vollkommen überflüssig, und Christina drückte ihr die
Tasse schon in die Hand. Das Läuten des Telefons unterbrach die beiden Freundinnen
bei ihrem Kaffeeklatsch.
„Nein, er ist in einer Besprechung. – Ich glaube nicht,
dass er gestört werden will. – Kann ich etwas ausrichten?“ Es war eine
Frauenstimme am anderen Ende der Leitung, die einer gewissen Moni Mölzner
gehörte. Gaby spitzte die Ohren, um etwas von dem Telefonat mitzubekommen. „Ja,
ich notiere: Marc ist so früh weggefahren ... konnte gar nicht mehr sagen, wie
schön die Nacht war ...“ Christina wiederholte laut, was das andere Ende der
Leitung ihr diktierte, damit Gaby wusste, worum es ging. Gaby saß allerdings
schon fast auf ihrem Schoß und drückte ihr Ohr von der anderen Seite an den
Hörer. Christina schubste ihre Freundin zur Seite und konnte sich kaum selbst
noch das Lachen verkneifen. Mit einer eindeutigen Handbewegung zeigte sie Gaby
an, dass sie Ruhe geben sollte. Christina sprach in den Hörer: „Nur schön?!
Och, da sind wir aber andere Attribute gewohnt! Das wird Marc nicht sonderlich
beeindrucken, Frau Mölzner!“ Die beiden hielten sich die Hände vor ihre Münder,
um nicht laut loszuprusten. Die junge Frau war auf Christinas Trick
hereingefallen und formulierte ihre Nachricht an Stevens noch einmal neu.
„Also, ich notiere: Die Nacht war aufregend, wunderbar und unvergesslich ...“
Gaby krümmte sich schon auf ihrem Stuhl zusammen, sosehr musste sie sich
zusammennehmen, um nicht loszuschreien. Sie konnte gar nicht fassen, wie ernst
Christina bleiben konnte. „... Ja, das klingt schon wesentlich besser! – Frau
Mölzner, was halten Sie davon, wenn Sie ihm ergänzend sagen, dass nicht nur die
Nacht, sondern er obendrein auch noch atemberaubend, zauberhaft und einzigartig
ist? – Kein Problem! Ich schreibe es gleich dazu: at-em-be-rau-bend,
zau-ber-haft und ein-zig-ar-tig“, wiederholte sie. „Soll ich sonst noch etwas
ausrichten? Ob Sie dableiben und heute Abend Spaghetti kochen sollen? – Okay,
habe ich. – Ja, selbstverständlich. Ich werde es sofort weiterleiten. – Ja,
Dankeschön! Das wünsche ich Ihnen auch, Frau Mölzner! Wiederhören!“ Christina
hängte ein, und die beiden brüllten vor Lachen, bis ihnen die Tränen in Strömen
liefen. „Solche Anrufe meine ich.“
Als Stevens zurückkam, folgte sie ihm unaufgefordert, mit
einer Tasse Kaffee in der einen und ihren Notizen in der anderen Hand, in sein
Arbeitszimmer. Sie nahm vor seinem geräumigen, schwarzen und hochglanzpoliertem
Schreibtisch Platz.
„Ihr Kaffee ist wirklich gut, Frau Klasen!“ Er saß entspannt
in seinem Chefsessel und nippte an dem Heißgetränk, während Christina ihm die
Mitteilungen vorlas. Wie immer entschied er kurz und knapp: „Kümmere ich mich
drum. Das machen Sie bitte. Erledige ich ...“
Monis Botschaft hatte sie sich bis zum Schluss aufbewahrt.
Sie schaute nicht zu ihm herüber, sondern las konzentriert von ihrem Blatt ab.
„Dann hat noch Moni Mölzner angerufen. Weil Sie heute Morgen schon so zeitig
weg waren, konnte Sie Ihnen Folgendes nicht mehr sagen: Ich soll ausrichten,
dass die letzte Nacht aufregend, wunderbar und unvergesslich war ...“
Stevens verschluckte sich beinahe und saß plötzlich
kerzengerade in seinem Sessel. Christina fuhr fort. „Außerdem seien Sie, Herr
Stevens, atemberaubend, zauberhaft und einzigartig!“
Stevens hatte die Kaffeetasse inzwischen abgestellt, seinen
Kopf auf seine Hände aufgestützt und schaute Christina mit großen Augen an.
„Frau Mölzner lässt fragen, ob sie noch in ihrem Haus bleiben und heute Abend
Spaghetti kochen soll?“
Er hatte seine übliche Selbstsicherheit wiedergefunden
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