Ein Macho auf Abwegen
ein wenig neugierig
vor. Da habe ich mir eben eingebildet, Sie hätten eventuell Lust aufs Tanzen.
Aber keine Angst, Frau Klasen! Ich werde Sie bestimmt nie wieder fragen, ob Sie
mit mir tanzen möchten. Kein Thema, okay? – Mir geht es deshalb nicht besser
oder schlechter. Ich habe, ehrlich gesagt, Besseres und Wichtigeres zu tun.“
Obwohl er ziemlich aufgebracht wirkte, hatte Stevens ganz
leise zu ihr gesprochen. Christina überlegte kurz, ob sie ihn jetzt doch
schnell mal anmeckern sollte. – Ihr zu unterstellen, sie könne nicht tanzen,
das war doch wohl ...! Sie konnte den Gedanken nicht zu Ende führen. Ihr
Gegenüber atmete nun einmal kräftig durch und redete weiter. „Hören Sie, Frau
Klasen. Ich habe Sie wegen einer anderen Sache zu mir gebeten. Ich hatte gerade
ein Gespräch mit Tina. Sie wird nicht zurückkehren, sie hat gekündigt. Ich muss
mir also jetzt Gedanken machen, wie es hier weitergehen soll.“ Er atmete einmal
tief ein. „Ich bin mit Ihrer Leistung wirklich außerordentlich zufrieden.
Trotzdem habe ich die allergrößten Zweifel, ob wir rein menschlich, dauerhaft
miteinander auskommen würden. In solch einer üblen Stimmung wie sie momentan
hier herrscht, habe ich nämlich noch niemals arbeiten müssen. Es ist für mich
lebenswichtig, mich bei meiner Arbeit wohlzufühlen. Das ist in meinem Beruf von
höchster Bedeutung und die elementarste Grundlage für kreatives Schaffen. Die
Arbeit hier muss Hand in Hand gehen, ohne irgendwelche negativen Spannungen,
denn man verbringt ja auch sehr viel Zeit miteinander.“
Er sprach immer noch ganz besonnen mit ihr, genau so als
hätte er ein dummes Püppchen vor sich sitzen, das schwer von Kapee war, dem man
jede Kleinigkeit ganz langsam und deutlich erklären musste, damit es endlich
begriff, worum es ging. Christina wandte ihren Blick von ihm ab. Ihr ging es
wie beim Festmenü. Sie wusste nicht, wo sie hinschauen sollte, und etwas zu
sagen getraute sie sich erst recht nicht. Stevens strahlte auf einmal einen
solchen Respekt aus. Eine Seriosität erster Kategorie. Peter Henning, der
Konzernchef, flößte ihr nicht halb so viel Ehrfurcht ein. Er sah sie so ehrlich
und vollkommen geradlinig an.
Stevens machte weiter. Er stützte sich jetzt mit den
Ellbogen auf seinem Schreibtisch auf und spielte endlich doch noch mit seiner
Lesebrille. Dadurch war er ihr nun noch näher gekommen als eben. „Liegt es an
mir? Mache ich irgendetwas falsch? – Wenn das so ist, wäre ich Ihnen dankbar,
wenn Sie es sagen würden.“
Christina saß mit gesenktem Kopf da. Sie schämte sich in
Grund und Boden. Jetzt gab er sich auch noch selber die Schuld! War sie
wirklich so schrecklich? Das konnte doch nicht sein! Sie wusste nicht, was sie
erwidern sollte und beschloss, lieber gar nicht zu antworten.
Marc wartete einen Moment und fragte sich, was mit dieser
doch sonst vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden Frau los war. „Frau Klasen!
Ich hätte gerne eine Antwort!“ Er blieb immer noch ruhig. Christina bewegte nur
verlegen den Kopf von rechts nach links. Er versuchte ihre Geste zu
interpretieren. „Ich mache also nichts falsch?“ Er bekam keine Antwort. „Nun
gut. – Ich habe mich wirklich sehr bemüht, auf Sie zuzugehen, vielleicht ist
Ihnen das nicht entgangen, oder doch. Ich weiß es nicht. – Von Ihnen, Frau
Klasen, kommt allerdings rein gar nichts zurück. Ich habe keinen blassen
Schimmer, warum Sie so sind, oder was ich Ihnen getan habe.“
Es störte ihn augenblicklich absolut, dass sie ihn nicht
ansah. Er schüttelte missbilligend den Kopf. „Wir haben hier ein Gespräch, Frau
Klasen! Würden Sie mich bitte anschauen, wenn ich mit Ihnen rede?“ Christina
fühlte sich wie ein kleines, vom Lehrer beim Pfuschen ertapptes Schulmädchen.
Am liebsten hätte sie sich wie die bezaubernde Jeannie in Luft aufgelöst. Vor
ihr saß kein alberner Sprücheklopfer, sondern ein ernstzunehmender
Vorgesetzter, der offensichtlich ihre Leistung schätzte und sie allem Anschein
nach gerne weiter für ihn arbeiten lassen wollte. Schweren Herzens hob sie
ihren Kopf und schaute ihm in seine immer noch nicht wieder funkelperlenblauen
Augen.
Er nickte kurz zustimmend und sprach weiter. „Sehen Sie! Wir
beide müssen hier und jetzt entscheiden: Wollen wir weiter zusammenarbeiten?
Aber auf eine komplett andere Weise. Ich meine damit, auf einer freundlichen
und entspannten, ergo sehr fruchtbaren Ebene. – Oder beenden wir das Ganze, und
ich muss mir leider Gottes jemanden
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