Ein Macho auf Abwegen
anderes suchen?“
Marc brach ihr jämmerlicher Anblick fast das Herz. Sämtliche
Biestigkeit war aus ihr verschwunden, und sie war wieder fast so schön wie beim
Galadinner. Sie hatte ihrer Seele wieder Ausgang gegeben. Da war ein dunkler,
trauriger Schatten in ihren Augen. Er hätte nicht gedacht, dass seine
unterkühlte Assistentin so viel Emotion auch einmal in die entgegengesetzte
Richtung zeigen konnte. Er hielt den Augenkontakt und schaute sie, trotzdem sie
ihm im Grunde total leid tat, eisern und entschieden an. Er war eben der Boss,
und das wollte er ihr heute eindeutig klarmachen. „Also, was stört Sie so sehr an
Ihrer Arbeit hier,... und an mir?“
Christina merkte, wie sie rot wie eine vollreife Tomate
wurde. Er machte doch gar nichts verkehrt! Er war doch einfach nur ein Mann!
Und noch dazu Marc Stevens! Er war doch ein angenehmer Arbeitgeber. Sie müsste
lügen, um das Gegenteil zu behaupten. Er war auf der ganzen Linie mustergültig!
Stevens erwartete jetzt eine Antwort von ihr, nach der sie
aber immer noch händeringend suchte. Sie musste jetzt endlich etwas sagen! Sie
nahm all ihren Mut zusammen, konnte aber trotzdem nur unsicher daher stammeln.
„Herr Stevens,... Sie machen alles richtig,... wirklich!“, stotterte sie.
„Es,... es tut mir Leid! – Es,... es muss an mir ...“ Sie schluckte einmal
kräftig. „... Es liegt nur an mir.“
Sie schämte sich zutiefst und ließ ihren Kopf wieder hängen.
Ihr machte der Job bei ihm doch richtig viel Spaß! Das war doch etwas ganz
anderes hier als immer nur zu tippen. Stevens ließ sie selbständig arbeiten,
Verantwortung tragen, und sie war ständig von interessanten Leuten umgeben. Ihr
Aufgabengebiet war überaus abwechslungsreich. Kein Tag glich dem anderen, und
langweilig war es hier oben nie!
„Ich würde wirklich sehr gerne bei Ihnen bleiben“, sagte sie
kaum hörbar.
Stevens lächelte ein verschmitztes Siegerlächeln. Er genoss
es sogar ein bisschen, diese Frau so zerstreut zu sehen. „Na, da bin ich ja
beruhigt! Und Sie denken, Sie könnten es schaffen, wenigstens ein Mindestmaß an
Freundlichkeit an den Tag zu legen? – Im Grunde genommen haben Sie das ja
drauf! Ich sehe ja täglich, wie Sie mit allen anderen freundlich sind.“
Für Christina war dieser unleidliche Dialog bescheiden
gesagt niederschmetternd. Sie wollte diese peinliche Aussprache so schnell wie
möglich beenden. Über alle Maße betreten sagte sie: „Ja, natürlich, Herr
Stevens. Wenn Sie es noch wollen, verspreche ich Ihnen, dass ich mich in
Zukunft bemühen werde ...“ Sie wäre am liebsten im Boden versunken.
War das etwa ein kleiner Tränensee, der aus diesen braunen
Rehaugen überzuschwappen drohte, als sie erneut aufblickte? Normalerweise
konnte Marc weinende Frauen nicht ertragen, doch seltsamerweise gefiel ihm das
bei seiner Assistentin ganz gut. Ihm war es eigentlich egal, welche Gefühle sie
imstande war zu zeigen. Hauptsache sie ließ überhaupt einmal welche raus. Er
reichte ihr ein Taschentuch herüber. „Frau Klasen, Sie müssen sich nicht so
aufregen! – Sie möchten also aus freien Stücken mit mir weiterarbeiten?“,
fragte er jetzt immerhin etwas liebenswürdiger. Christina nickte, während sie
sich ihr Gesicht säuberte.
„Nun gut, ich nehme Sie beim Wort. Dann versuchen wir einen
zweiten Anlauf. Drei Monate auf Probe.“
Er ging kurzerhand zur Tagesordnung über und begann, mit ihr
den Ablauf des heutigen Arbeitstages zu besprechen, ganz souverän und
alltäglich, so als ob gar nichts gewesen wäre.
Sie bemühte sich von nun an ernsthaft und ganz aufrichtig um
ein angenehmeres Arbeitsklima. Stevens tat so, als hätte es kein „Vor dem
Gespräch“ gegeben. Es war so, als würden sie noch einmal von vorne beginnen. Es
lief ganz allmählich besser zwischen ihnen, und sie stellten eine gelöstere
Atmosphäre her, in der sich beide, Chef und Assistentin, erheblich wohler
fühlten. Man begrüßte sich morgens freundlich, fragte sich gegenseitig nach dem
Wohlbefinden und Stevens trank seinen Kaffee häufig bei ihr im Vorzimmer.
Manchmal kam Gaby dazu, die jetzt in seiner Nähe absolut gelassen zu sein
schien. Bei diesen kleinen Pausentreffen lachten die drei sogar recht viel.
Wenn Christina wieder einmal zu wenig geschlafen hatte, sah Stevens ihr das in schöner
Regelmäßigkeit an und fragte nach. „Geht es Ihnen heute nicht gut, Frau Klasen?
Möchten Sie heute früher Feierabend machen? Wenn nichts Großartiges ansteht,
können
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