Ein Macho auf Abwegen
wütend mit der Faust auf den Tisch. „Was
soll ich denn jetzt bloß machen?“
Er starrte auf die geschlossene Tür und überlegte hin und
her: Die Klasen machte einen verdammt guten Job, wirklich überdurchschnittlich.
Für ihr Pensum hätte er glatt zwei Tinas beschäftigen müssen. Aber so fleißig,
intelligent und talentiert sie auch war, es half alles nichts. Es ging mit ihr
nicht. Ja klar, sie war wesentlich älter als alle anderen Mitarbeiterinnen, die
je für ihn gearbeitet hatten. Durch seine neue Assistentin hatte Marc erfahren,
wie wichtig gerade Lebenserfahrung für eine qualifizierte Arbeit war. Diese
Frau konnte er auch nicht einfach so herumkommandieren. Wenn er etwas bei ihr
erreichen wollte, musste er einen anderen Ton anschlagen als bei den jungen
Dingern. Ja, er hatte Respekt vor ihr, und den verdiente sie sich redlich,
jeden Tag aufs Neue. Sie war eben eine Frau. Eine richtige Frau! Eine richtig
richtige Frau, mit einem eigenen Kopf. Sie ließ sich durch nichts und niemanden
blenden. Die hatte Scharfsinn, die Klasen! Seine neue Sekretärin war genauso
eine tüchtige Kraft wie Anita es ihm zugesichert hatte. „Du wirst keine bessere
finden, Marc! Christina ist bei mir im Schreibbüro völlig fehl am Platze. Die
muss Entscheidungen treffen und selbstständig arbeiten können. Die muss jeden
Tag aufs Neue gefordert werden“, hatte Anita ihm damals gesagt. Aber was
brachte das alles? Er konnte einfach nicht mit ihr! Sie hatten ein echtes
Scheißverhältnis miteinander, und er fühlte sich in seiner eigenen Firma nicht
mehr wohl. Manchmal hatte er morgens schon gar keine Lust, von zu Hause
loszufahren. Und nur wegen dieser Frau Klasen!
Er ging zur Tür und riss sie unstet auf. „Kommen Sie bitte,
Frau Klasen!“, sagte er energisch. Oh, oh! Dicke Luft!, dachte Christina, nahm
rasch ihren Notizblock und ging zu ihm hinein.
Er saß überhaupt nicht so lässig wie sonst in seinem
bequemen Chefsessel. Er hatte seine Füße nicht auf dem Schreibtisch liegen,
knabberte weder an seinem Kugelschreiber, noch fummelte er an seiner Lesebrille
herum. Stevens zog ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter, schaute sie mit
furchterregend ernster Miene an und forderte sie ungeheuer barsch auf, Platz zu
nehmen: „Setzen Sie sich“, knurrte er.
Irgendetwas stimmte hier nicht. – Plötzlich fiel es ihr wie
Schuppen aus den Augen. Ja, klar! Das Fest! Jetzt kommt die Retourkutsche für
das Körbchen, schloss Christina und zitterte sogar ein bisschen, bei seinem
übellaunigen Auftritt. Körbchen ist gut!, dachte sie. Der Korb war
offensichtlich eine Nummer zu groß für ihn! Sie hatte ihn in aller
Öffentlichkeit vor den Kopf gestoßen und ihn wie einen Trottel im Regen stehen
lassen. Das war zuviel für den Superpromi. Sie hatte sich vollkommen daneben
benommen, aber es war einfach nicht anders gegangen. Sie konnte nicht mit ihm
tanzen. Absolut nicht! – Sie hätte ihre Abfuhr anders verpacken müssen.
Wenigsten in einem anderen Ton, hätte sie ihn abblitzen lassen müssen. Das
wusste sie jetzt! – Wie oft war ihr so etwas schon passiert? Wie oft war sie
mit ihrem Dickschädel gegen die Wand gelaufen? Also musste sie das jetzt und
hier wieder in Ordnung bringen. So düster war er ihr samt und sonders fremd.
Die Situation war ihr ganz und gar nicht geheuer.
Sie setzte sich bebend auf ihren Platz vor seinem
Schreibtisch, und er starrte sie dabei stumm und durchdringend an. Er bohrte
sich buchstäblich mit seinen, jetzt gar nicht mehr so himmelblauen, sondern
stahlgrauen Augen regelrecht in ihr Gehirn hinein und sagte immer noch nichts.
Anscheinend ging er davon aus, dass sie schon selber wissen müsste, was er von
ihr wollte, und zwar eine Erklärung für ihr Verhalten beim Betriebsfest.
Sie räusperte sich. „Das am Freitagabend war nicht richtig
von mir, Herr Stevens. Ich wollte Sie vor den anderen nicht diskreditieren ...
Das war nicht meine Absicht. Ich hatte einfach nur keine Lust zu tanzen.“ Keine
Reaktion. Stevens verzog keine Miene. „Ja,... und außerdem hatte ich schon
einige Herren abgewiesen, da konnte ich doch dann wirklich nicht mit Ihnen ...“
„Es ist mir egal, mit wem Sie nicht tanzen“, fiel Stevens
ihr ins Wort, „oder warum Sie nicht tanzen. – Vielleicht können Sie es ja
einfach nur nicht. Ich habe das meinerseits lediglich aus Höflichkeit getan.
Aus reiner Pflichterfüllung, sozusagen. Sie kamen mir halt an dem Abend
verhältnismäßig entspannt oder auch, ich würde mal sagen,
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