Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Macho auf Abwegen

Ein Macho auf Abwegen

Titel: Ein Macho auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hitzblech
Vom Netzwerk:
bereits erklärt, für den deutschen Markt wesentlich geeigneter, weil
kommerzieller, mit englischen Texten versehen. Der hat ja echt den Durchblick!,
dachte sie anerkennend. Überdies hatte er dem Anschein nach ein enormes Gespür
für Begabungen und Trends. Latinos wurden in Deutschland immer populärer, und
er wollte mit dieser Produktion auf dieser Erfolgswelle mitschwimmen. „Man muss
immer auf dem Laufenden sein. Unsere Branche ist so schnelllebig! Wenn man da
nicht immer am Ball bleibt, kann man von heute auf morgen einpacken.“ Unsere
Branche, hatte er gesagt. Es war also auch schon Christinas Fachgebiet! Im
Anschluss an die Probeaufnahmen händigte Christina den Jungtalenten die
Vertragsentwürfe zum Durchlesen aus.
    Um alle weiteren Details zu besprechen, verabredeten sie
sich alle noch einmal zum Abendessen. Sie aßen in einem urigen Lokal mit Blick
auf das rege Treiben auf den Ramblas, der Flaniermeile der mediterranen
Metropole. Nach dem Abendessen war Christina ziemlich heiser. Sie hatte ja
praktisch schon den ganzen Tag für fünf Personen Konversation gemacht.
    Es war sehr spät geworden, als Stevens und sie sich das
kurze Stück zu Fuß in Richtung Hotel aufmachten. „Verstehen Sie jetzt warum ich
Sie dabei haben wollte?“, fragte Marc zum Abschied. „Sie waren mir wirklich eine
sehr große Hilfe, Frau Klasen. Ganz prima, ehrlich!“ Christina schloss ihre
Zimmertüre auf. „Ich habe nur meinen Job gemacht, Herr Stevens. Buenas noches!“
Stevens fuhr sich mit der linken Hand durch das Haar. „Ja, ja, natürlich – Gute
Nacht! Schlafen Sie gut.“
    Christina ging ins Badezimmer, um sich abzuschminken und
noch eine ausgiebige Dusche zu nehmen. Sie war glücklich mit dem ersten Tag
ihrer ersten gemeinsamen Geschäftsreise. Es hatte keine Probleme und keinerlei
Missverständnisse gegeben.
    Die Mauern des alten Gebäudes waren recht dünn, und sie
lauschte, wie Stevens nebenan ebenfalls unter der Brause stand. Er allerdings
trällerte ein Lied. Christina konnte nichts Genaues vernehmen, es hörte sich
trotzdem sehr schön an. Ich habe den eigentlich noch nie live etwas singen
hören. – Dem geht es heute Abend genauso gut wie mir, dachte sie und fiel
schachmatt ins Bett. Den Wecker stellte sie nicht, denn Stevens hatte vorhin
noch erklärt, sie könnten ganz in Ruhe ausschlafen. Das nächste Arbeitsmeeting war
erst für den nächsten Nachmittag veranschlagt.
     
    Das rege Treiben im Stadtzentrum hatte sie aber dennoch
aufgeweckt. Sie war putzmunter, hielt jedoch ihre Augen geschlossen. Diese
bezeichnende Geräuschkulisse war in allen südlichen Ländern gleich. Lautes
Palavern, knatternde Mopeds und unaufhörliches, lautes Hupen drang von der
Straße zu ihr hinauf. Sie fühlte sich auf irgendeine Art heimisch, sprang
fröhlich aus dem Bett, lief zum Fenster und riss die Balkontüre auf, um das
Ambiente vollständig auf sich wirken zu lassen. Die Sonne schien schon recht
intensiv vom strahlendblauen Himmel. Die Barceloneser machten gerade ihre
Erledigungen, damit sie in der Mittagszeit, im Schutze ihrer ständig
verdunkelten und somit kühlen Wohnungen, Siesta halten konnten. Sie hielt ihr
Gesicht in die glühende Sonne und  atmete einmal kräftig ein. Der Geruch des
nahen Mittelmeeres lag in der Luft. „Ach, was ist das für ein schöner Tag
heute!“, rief sie begeistert.
    Christina saß schon im Restaurant und frühstückte, als Stevens
dazukam. Er schaute noch ein wenig verschlafen aus den Augen. Er sah irgendwie
verknautscht aus, obwohl er offensichtlich gerade aus der Dusche gekommen war,
was sein noch feuchtes Haar bewies. Er trug ein schwarzes Shirt, was ihm lässig
um die Hüften schlenkerte. Dazu hatte er eine sandfarbene Leinenhose gewählt.
    Er entdeckte seine Sekretärin und zögerte einen Augenblick,
denn er zweifelte daran, ob sein Typ so früh am Morgen überhaupt schon geduldet
werden würde. „Darf ich mich zu Ihnen setzen?“, fragte er höflich abwartend.
„Ja, natürlich! Bitte schön!“, lud Christina ihn artig und zu seinem Erstaunen
liebenswürdig lächelnd ein. Sie hatte sich diese Szene natürlich schon vorher
ausgemalt und genau überlegt, wie sie reagieren sollte. Er hatte gestern Abend
wirklich nicht den geringsten Anlass zur Klage gegeben, und es wäre doch echt
albern, wenn sie an getrennten Tischen frühstückten.
    Sie unterhielten sich angeregt über den gestrigen Tag, und
Christina brachte sogar eine manierliche Würdigung seines Werkes über die
Lippen.

Weitere Kostenlose Bücher