Ein Macho auf Abwegen
Andalusiens umziehen können. Scheidung heißt doch nicht gleich
Auswandern. Er hätte sie das unheimlich gerne gefragt, aber dazu fehlte ihm der
Mut. Er hatte ganz einfach keine Lust ihre Hurrastimmung zu zerstören. Er
wollte viel lieber die Gunst der Stunde nutzen und seinen freien Vormittag
gemeinsam mit ihr verbringen.
„Was machen wir mit unserer Freizeit? Ich würde mir gerne
etwas ansehen. Hätten Sie Lust mir die Stadt zu zeigen?“, fragte er vorsichtig.
„Sie sind der Boss, Señor Stevens!“, antwortete Christina heiter und ohne zu
zögern. Er nickte. „Das stimmt allerdings. Also, ich war leider niemals hier.
Soviel ich dennoch weiß, gibt es hier eine Menge interessanter Architektur zu
sehen ...“
„Oh ja! Barcelona hat wirklich Einiges zu bieten! Architektur,
Malerei, Museen und vieles mehr, was zu so einer Metropole dazugehört. Um alles
anschauen zu können, müsste man aber schon mindestens eine Woche hier bleiben.
Zum Genießen!“
Erstaunlich! Stevens interessierte sich für die
Sehenswürdigkeiten einer Weltstadt! Sie hätte eher erwartet, dass er nach dem
Nachtleben, den besten Diskos oder den liebreizendesten Evastöchtern fragen
würde. „Diese Stadt ist vor allen Dingen durch den Architekten Antonio Gaudí
geprägt worden. Die „Sagrada Familia“ ist eines seiner unvollendeten
Meisterwerke. Als ich das erste Mal davor stand, hat ihr Anblick mir beinahe
den Atem geraubt.“
„Dann nehmen wir uns die als Erstes vor“, bestimmte ihr
wissensdurstiger Arbeitgeber.
Sie stiegen aus dem Taxi und wurden von den Ausmaßen des
kolossalen Bauwerkes fast erschlagen. „Das ist ja unglaublich! Einfach
gigantisch!“ Stevens war sichtlich beeindruckt von dem Wahrzeichen der Stadt.
Die riesige Kirche befand sich immer noch im Bau. Einige mächtige Baukräne
lugten aus ihrem Inneren hervor. „Das ist ja eine Baustelle“, staunte Marc.
„Ja, und wir zwei werden die Fertigstellung auch nicht mehr
erleben. Hier wird schon seit mehr als hundert Jahren gebaut. Das alles wird
nur durch Spenden- und Eintrittsgelder finanziert. Oftmals hat es nicht
ausgereicht, und der Bau stand still.“
Sie betraten nun den größten Baukomplex Barcelonas. Man
konnte sogar über Wendeltreppen in die riesigen Türme gelangen. Von dort oben
bewunderten sie die kleinen, liebevoll zusammengesetzten Mosaike, welche die Turmspitzen
in den buntschimmerndsten Farben schmückten. „Gaudí versuchte mit den
natürlichsten Materialien zu bauen. Er verwendete, wie man es hier sieht, zum
Beispiel sehr viele alte Kacheln, deren Bruchstücke zu den farbenfrohen
Mosaiken zusammengesetzt wurden. Ein weiteres Erkennungsmerkmal seiner Werke
sind die Rundungen. Es gibt kaum Gebäude, welche Ecken und Kanten haben. Alles
ist rund und weich.“ Christina erzählte Stevens alles, was sie über den
Architekten und seine einzelnen Konstruktionen in Barcelona wusste, und zu
ihrem Erstaunen interessierte ihr Chef sich sehr und stellte immer wieder neue
Fragen.
Nach der Baustellenbesichtigung fuhren sie wieder zurück in
Richtung Innenstadt. Christina schlug einen Spaziergang über die Ramblas vor.
Diese Allee war der Nabel der Stadt. Die Prachtstraße reichte vom Plaza de
Cataluña bis hinunter zum Kolumbusdenkmal am Hafen. Überall standen mehr oder
weniger große Ansammlungen von Einheimischen herum und diskutierten lärmend
über die verschiedensten aktuellen Themen, wie Politik oder Sport. Dass bei dem
heillosen Drunter und Drüber echte Kommunikation stattfand, konnte man als
Außenstehender eigentlich nicht glauben.
Alle paar Meter hatten sich Menschentrauben formiert, die
vor allen Dingen aus Touristen bestanden, um die phantasievoll gekleideten und
geschminkten Pantomimen zu bestaunen, die sich durch endloses Stillstehen ihren
Lebensunterhalt verdienten. Warf jemand ein Geldstück in ihre Geldbehälter,
rührten sie sich zum Dank mit ruckartigen Bewegungen und ernteten dafür
Applaus. An den Seiten der Allee waren Verkaufsstände aufgebaut. Es gab einen
Abschnitt, der in allen Farben dieser Welt leuchtete. Hier wurden Blumen
angeboten, welche die Luft mit ihren tausend verschieden Düften schwängerten.
Etwas weiter gab es Auslagen mit Büchern oder, was Christina überhaupt nicht
mit ansehen konnte, eine Strecke, an der ausschließlich Kleintiere feilgeboten
wurden. „Ach, abscheulich, wie die armen Viecher gehalten werden! Bis heute
haben die Spanier ihre Einstellung zu Tieren nicht geändert. Von Tierschutz
halten die
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