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Ein Mädchen aus Torusk

Ein Mädchen aus Torusk

Titel: Ein Mädchen aus Torusk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Verladen der Stückgüter, die Übernahme von Öl und Lebensmitteln, sprach mit den Offizieren der ›Hukonda‹ und richtete seine Kabine ein.
    Am Tage der Abfahrt war plötzlich Inken Holgerson am Kai. Sie war braungebrannt von der ägyptischen Sonne, fröhlich und durchaus nicht mit Abschiedsschmerz behaftet.
    »Ich wollte dich noch einmal sehen, Martin«, sagte sie, als sie sich an der Brücke trafen. Der Kabinensteward hatte Abels an Deck gebeten, ohne zu sagen, wer ihn sprechen wollte. »Nein! Keine großen Worte.« Sie hob die Hand und winkte ab, als Abels etwas sagen wollte. »Du siehst, daß ich völlig unbefangen bin. Ich wünsche dir alles erdenkliche Glück, Martin.«
    »Es tut mir leid.« Abels griff in die Tasche seiner Jacke. Wie oft hatte er diesen Griff getan. Zigarettenetui heraus, aufgeklappt, angeboten, Feuer gegeben. Inkens spitze Lippen, wenn sie den Rauch von sich blies, etwas geziert und bewußt kindlich.
    Sie schüttelte den Kopf und legte die Hand auf seinen Arm.
    »Nein, danke. Keine Zigarette. Ich habe nicht soviel Zeit. Mein Verlobter wartet im Wagen.«
    »Wer?« fragte Abels entgeistert.
    »Mein Verlobter. Soll ich dir den Namen nennen? Was hättest du davon? Du würdest ihn doch gleich wieder vergessen.«
    »Ich gratuliere!«
    »Danke. Ich habe ihn in Kairo kennengelernt.« Inken Holgerson wischte sich die im Wind flatternden Haare aus der Stirn. »Das wollte ich dir noch zum Abschied sagen … damit du beruhigt fahren kannst … falls du dir heimliche Vorwürfe gemacht hast.«
    »Das habe ich, Inken.« Abels atmete auf. »Du bist ein lieber Kerl. Ich kenne deinen Verlobten nicht, aber ich möchte dir wünschen, daß er der richtige Mann für dich ist.«
    Sie wandte sich ab und trat an die Reling. Der Wagen Holgersons stand neben einem Schuppen. Abels sah eine dunkle Gestalt hinter dem Lenkrad, ohne erkennen zu können, wie der Mann aussah.
    »Der richtige Mann …« Ihre Stimme war wieder klein und unsicher. »Ich kannte nur einen richtigen Mann.«
    Abels legte den Arm um ihre Schulter. Sie zuckte zusammen, wollte sich aus der Umarmung lösen, aber dann zerbrach ihr Widerstand. Sie schloß die Augen.
    »Ist das dort dein Verlobter?«
    »Ja.«
    »Grüß ihn unbekannterweise von mir.«
    »Das werde ich.«
    Dann drückten sie sich die Hand, sahen sich groß an und bezwangen sich beide, sich nicht in die Arme zu fallen und sich zu küssen.
    »Leb wohl«, sagte Inken Holgerson leise.
    »Auf Wiedersehen«, sagte Abels fest.
    Das Ablegen eines Frachtschiffes ist etwas sehr Unromantisches. Keine Bordkapelle spielt, keine Menschen winken, keine Fähnchen flattern im Wind … nur eine Sirene heult, das schmutzige, ölige Hafenwasser quirlt auf, die Maschinen stampfen, die Taue werden abgeworfen, und der stählerne Leib schiebt sich langsam von der Kaimauer weg.
    Inken Holgerson blieb an der Kaimauer stehen und winkte als einzige mit ihrem weißen Spitzentaschentuch. Ihre schmale Gestalt hatte etwas Rührendes, als sie allein vor den Lagerschuppen stand, ein Stück am Kai entlanglief und mit beiden Armen winkte. Martin Abels antwortete mit dem Schwenken seiner Reisemütze, und Fetzen der Erinnerung flogen in die Gegenwart … Anuschka, wie sie neben dem Wagen herlief und schrie: »Komm wieder! Komm wieder! Ich liebe dich!« Und in den Schnee fiel, auf den Knien lag und die Hände ausstreckte, als könne Gott sich erbarmen in einem Land, in dem man Gott abgeschafft hatte … und nun lief Inken neben ihm her und winkte und winkte, und es war ein Abschied für immer …
    Die ›Hukonda‹ drehte ab, das Heck schob sich herum, der Kai, die Hafenschuppen, Inken Holgerson wurden weggewischt. Schnell ging Abels unter Deck in seine Kabine. Der Abschied von Deutschland war schwer, er wollte allein sein, nichts mehr sehen und nichts mehr hören. Das faszinierende Bild, wie die Küste Europas im Meer versinkt, konnte er in dieser Stunde nicht ertragen.
    Von diesem Augenblick an war er wieder so armselig wie vor acht Jahren, als er in Moskau auf dem Güterbahnhof stand, vor dem Waggon, der ihn aus Nowosibirsk gebracht hatte.
    Wie damals blieb ihm auch jetzt nichts mehr als die große Sehnsucht, ein Ziel zu erreichen, ohne Hilfsmittel, nur mit seinen Füßen und seiner wenigen Kraft.
    Martin Abels warf sich auf das Bett, kreuzte die Hände unter dem Kopf und starrte an die Kabinendecke.
    Die ›Hukonda‹ schlingerte und rollte. Sie hatten das offene Wasser erreicht. Der Weg in die Unendlichkeit hatte

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