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Ein Mädchen aus Torusk

Ein Mädchen aus Torusk

Titel: Ein Mädchen aus Torusk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dumpf.
    »Zurückgestellt, würde ich sagen.« Der Sekretär blätterte in den Papieren. Auf einem Briefblatt erkannte Abels den Kopfdruck des sowjetischen Innenministeriums.
    »Ich kenne Ihre Terminologie zu gut, um zu wissen, was das heißt«, sagte Abels bitter. »Darf ich fragen, warum man mir die Einreise verweigert?«
    »Natürlich.« Der Sekretär lächelte. Abels zog die Schultern hoch. Ein Russe kann lächeln, daß es wie Eis bis auf die Knochen dringt. »Sie sprechen unsere Sprache perfekt.«
    »Ja.«
    »Sie haben Verbindung mit der amerikanischen Union-Steel?«
    »Ja.«
    »Die Union-Steel hat Waffen an Feinde der Sowjetunion geliefert. Sie haben Aktien der Union-Steel. Man folgert daraus, daß Sie ein aktiver Feind der Sowjetunion sind.«
    »Aber das ist doch Dummheit! Käme ich sonst in Ihr Land?«
    »Wer weiß?« Der Sekretär hob wieder die Schultern. »Man kann in unserem Jahrhundert nicht vorsichtig genug sein. Im Kreml ist man vorsichtig. Wir sind innerhalb von fünfzig Jahren zweimal überfallen worden.«
    Martin Abels erhob sich brüsk. Der Stuhl hinter ihm fiel polternd um. Der Botschaftssekretär lächelte mokant. Die Deutschen, sagte sein Blick. Immer wie starke Männer. Immer mit bumm und trara.
    »Es besteht also keine Hoffnung, nach Torusk zu kommen?«
    »Gar keine, Herr Abels.«
    »Danke.«
    »Leben Sie wohl.«
    Minuten später stand Martin Abels am Rhein und starrte hinüber auf die im Strom liegende Insel Nonnenwerth mit ihrem Kloster und den schönen Parkanlagen. Weiße Schiffe glitten durch den Rhein, ein Auto hielt neben ihm, ein Vater mit drei Kindern stieg aus, dehnte sich und zeigte den Hang hinauf. »Seht mal, da wohnen die Russen!« sagte er. »Da, in dem weißen Schlößchen. Ihr wißt doch, was euch Papa von Rußland erzählt hat.«
    Martin Abels ging weiter, am Rheinufer entlang, zum Parkplatz, wo Diener Alfons mit dem Wagen wartete.
    Ich komme nach Torusk, dachte Martin Abels und ballte die Fäuste in den Hosentaschen. Es gibt viele Wege nach Sibirien, und einen werde ich finden. Und wenn sie mich alle für verrückt erklären: Ich spüre es, daß Anuschka auf mich wartet.
    In diesem Augenblick beschloß er, nach Rußland, nach Sibirien einzudringen, sich einen Weg freizukämpfen in die Vergangenheit, die er zur Zukunft machen wollte.
    Es vergingen noch sechs Wochen, ehe Martin Abels seinen Plan ausführen konnte.
    Sechs Wochen sind keine lange Zeit, aber wer sie auszunützen weiß, kann in ihnen den Grundstein zu einem neuen Leben legen. Abels tat es mit allen Konsequenzen, die auch alle möglichen Eventualitäten einschlossen – zum Beispiel die, daß er von seiner großen Reise vielleicht nie mehr zurückkehren konnte. Er ordnete alles, übergab das Kugellagerwerk seinem 1. Direktor, setzte ein Gremium von Anwälten als Kontrollorgan ein und hatte eigentlich am meisten Mühe mit seinem Diener Alfons, der darauf bestand, ihn zu begleiten. Erst nach dem harten Befehl, auf das Haus aufzupassen und keinen Ton mehr über die Reise zu sagen, schickte sich Alfons in sein Schicksal.
    Der Stammtisch in der ›Eule‹ verfolgte diese Vorbereitungen mit tiefer Sorge. »Man muß etwas tun«, sagte der Metzgermeister Fernholz. »Er rennt in sein Unglück, und wir sitzen herum und sehen uns das an. Was er sich da vornimmt, ist doch kompletter Unsinn. Man sollte Martin in eine Anstalt stecken.«
    Rechtsanwalt Petermann sprach noch einmal mit seinem Freund und Kriegskameraden. Es war drei Abende vor der Abreise.
    »Es hat keinen Zweck, Ludwig«, sagte Abels, als ihm Petermann noch einmal die ganze Sinnlosigkeit vorhielt. »Ich werde fahren!«
    »Du weißt, daß es eine Reise auf Leben und Tod wird.«
    »Ja.«
    »Ist diese Anuschka einen solchen Einsatz wert?«
    »Ja!« Es war eine klare Antwort, gegen die es kein Argument mehr gab. Petermann hob die Schultern und verließ das Haus. Er gab sich geschlagen. Zu Fernholz, der ihn in der ›Eule‹ erwartete, sagte er resignierend:
    »Hast du schon einmal versucht, zu einem Vulkan zu sagen: Du darfst nicht rauchen? Na also – genauso ist es bei Martin.«
    Das Schiff ›Hukonda‹, ein japanischer Frachter, lag in Bremerhaven. Es nahm hundert Kisten von den Abels-Werken an Bord, Kugellager für Ostasien. Die Endstation der Reise war Kobe. Von dort wollte Abels nach Tokio fliegen, um den Sprung auf den asiatischen Kontinent zu wagen.
    Einen Tag früher als vorgesehen war Martin in Bremerhaven und stand am Hafen, beobachtete die Schauerleute, das

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