Ein Mädchen aus Torusk
Hand.
»Seien Sie uns willkommen«, sagte er in einem akzentfreien Englisch. »Wir haben über Ihr Telefongespräch mit unserer Regierung verhandelt. Wir sind sehr interessiert.«
Abels sah sich um. Im Hintergrund des großen Zimmers standen zwei mongolische Offiziere. In ihrer Unbeweglichkeit wirkten sie wie Wachsstatuen. Nur das Leben in ihren Augen verriet, daß sie nicht künstlich waren. Ulan Manichugur lächelte sein tiefes asiatisches Lächeln.
»Natürlich wird unser Gespräch auf Tonband aufgenommen«, sagte er höflich. »Bitte, suchen Sie nicht das Mikrofon. Es erübrigt sich. Sie bieten uns Kugellager an. Wir kennen die Abels-Kugellager. Sie sind besser als die der Amerikaner. Wir sind sehr daran interessiert, für unseren Aufbau Kugellager dieser Qualität zu bekommen. Nur die Form der Lieferung ist schwierig. Sie wissen, daß wir mit Ihrem Land keinen Export- und Importvertrag haben.«
»Man könnte die Sendungen hier über Japan laufen lassen.«
»Einfacher wäre es über Korea.« Ulan Manichugur setzte sich. Ein Sekretär brachte grünen Tee und süßes Honiggebäck. Manichugur goß Abels' Tasse eigenhändig ein und spritzte aus einem kleinen silbernen Flakon einige Spritzer Rosenöl in den schillernden Tee.
»Sie sollten nach Ulan-Bator fliegen, Sir«, sagte er dabei. »Unsere Regierung ist bestrebt, mit dem Westen in Kontakt zu kommen. Die Lieferungen aus Rußland –«, Manichugur verzog das Gesicht. »Oft haben wir das Gefühl, man lädt bei uns ab, was man in Moskau nicht gebrauchen kann. Das kränkt uns. Die Mongolei war schon ein Kulturland, als in Rußland noch uneingeschränkt die Bären hausten und Moskau ein sumpfiger Flecken war. Gerade Kugellager wären wertvoll für uns. Wann könnten Sie reisen?«
In Abels' Brust begann es heiß zu werden. »Wohin?« fragte er und gab sich völlig verblüfft.
»Nach Ulan-Bator. General Gadan-Dalain wäre glücklich, sich mit Ihnen zu unterhalten, Sir.«
Martin Abels nippte vorsichtig an dem glühendheißen und süßen Tee. Die Offiziere in der Ecke standen noch immer regungslos. Aus dem Nebenzimmer, dessen Tür angelehnt war, hörte er vielstimmiges Vogelgezwitscher. Da mußte er lächeln. Die Mongolen lieben Vögel, dachte er. Ihre Kaiser hielten sich gezähmte Nachtigallen, die sie in den Schlaf singen mußten.
Ulan Manichugur verstand das Lächeln Abels'. Er nickte.
»Ich habe sechsundvierzig Vögel. Wir werden sie uns nachher ansehen und anhören.« Er lehnte sich zurück und legte die Fingerspitzen aneinander. »Was darf ich dem General melden, Sir?«
»Ich bin reisebereit.«
»Um so besser. Ihr Flugweg geht über Pjöngjang und Peking nach Ulan-Bator. Sagen wir übermorgen um sieben Uhr morgens?«
Martin Abels nickte. Die Leichtigkeit, mit der er ins Innere Asiens kam, erschreckte ihn fast. Verwirrt trank er seine Tasse Tee und wurde von Ulan Manichugur bis an die Tür begleitet. Die Unkompliziertheit, die man hier praktizierte, erstaunte ihn. Wer es gewöhnt ist, für den kleinsten Schritt einen Schwarm Beamte zu beschäftigen, Anträge auszufüllen, Instanzenwege zu gehen, warten zu müssen und dann zu hören, daß sein Antrag im ›Arbeitsgang‹ sei und Mahnungen völlig zwecklos seien, den berührt es wie ein unbegreifliches Wunder, daß man große Dinge schnell erledigen kann.
Den ganzen nächsten Tag verbrachte er damit, einzukaufen. Er kaufte Hemden und Unterwäsche, Drillichhosen und zwei Pullover, einen Regenmantel aus einem schwarzen Wachstuchstoff, hohe Stiefel und Reithosen mit Lederbesatz. Vor allem aber kaufte er in der Altstadt Tokios zwei gute amerikanische Pistolen mit 1.000 Schuß Munition.
So ausgerüstet stand er um 7 Uhr vor der chinesischen Maschine und sah zu, wie man seine Koffer verlud. Dann stieg er ein. Als er von der Gangway zurückblickte zum Flughafengebäude, sah er ein bekanntes Gesicht neben dem Tankwagen stehen. Es war der Handelsattaché der deutschen Botschaft, der als Augenzeuge aussagen sollte, daß der Deutsche Martin Abels mit einer rotchinesischen Maschine Japan verlassen hatte.
Abels hob die Hand und winkte ihm zu. Der Attaché wandte sich brüsk ab, ging um den Tankwagen herum und verschwand aus dem Blickfeld Martins.
Ein lächelnder Steward wies Abels im Flugzeug Platz an und bot ihm einen Begrüßungstrank. Als Martin verneinte, schüttelte der Steward traurig den Kopf.
»Es ist besser, Sir, wenn Sie trinken«, sagte er mit einer hellen Stimme, wie überhaupt die Chinesen einen
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