Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mädchen aus Torusk

Ein Mädchen aus Torusk

Titel: Ein Mädchen aus Torusk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
hellen Tonfall haben. »Der Trank beruhigt. Dies hier ist eine alte Maschine. Sie liegt nicht besonders gut in der Luft.«
    »Wenn es so ist, natürlich.« Abels trank das Glas in einem Zug leer. Das Getränk schmeckte nach Orangen und Honig, es erfrischte und rann wie Öl in seinen Körper.
    Kurz darauf wurde er schläfrig. Er hörte, wie die Motoren ansprangen, er spürte das Rollen unter sich, als die Maschine zum Startplatz fuhr … aber schon das Abheben nahm er nicht mehr wahr. Er hatte den Kopf nach hinten auf das Nackenpolster gelegt und schlief fest.
    Ein Rütteln weckte ihn. Es kostete ihn große Mühe, die Lider zu heben und zu sehen, wer ihn störte. Vor ihm stand ein mongolischer Offizier und grüßte, als er bemerkte, daß der Fluggast seine Umgebung wieder wahrnahm.
    Abels schüttelte sich und warf einen Blick aus dem Fenster. Er sah einen fremden Flugplatz, Arbeiter mit Spitzmützen; Kamele, die Lasten schleppten; Ochsenkarren, die am Rande des Rollfeldes Steine wegbrachten, und Soldaten in khakifarbenen Uniformen, die die Pässe der Passagiere kontrollierten.
    »Wo sind wir denn hier?« fragte er und stand auf.
    »In Ulan-Bator, Sir.« Der Offizier lächelte. »Sie haben die ganze Flugstrecke über geschlafen. Sie waren sehr müde.«
    »Ja.« Martin Abels griff in die Taschen. Langsam zog er darauf die Hände wieder zurück. Die beiden Pistolen fehlten. Er brauchte nicht in seinem Gepäck nachzusehen, um zu wissen, daß auch die 1.000 Schuß Munition verschwunden waren.
    Das Getränk, dachte er. Sie haben mich betäubt. Ich bin über Nordkorea und China geflogen und habe nichts gesehen. Das allein war der Sinn des Willkommenstrunkes.
    »Bitte, Sir«, sagte der Offizier. »Sie werden erwartet.«
    Abels verließ als letzter die Maschine und wurde zu einem großen, dunklen Moskwitsch-Wagen geführt. Hier wartete ein anderer Offizier, grüßte stumm, hielt die Tür auf und schlug sie hinter Abels zu. Im gleichen Augenblick fuhr das Auto an und raste durch einen Seitenausgang vom Flugfeld, hinein in die Stadt Ulan-Bator. Raste vorbei an Felljurten der mongolischen Nomaden, an trägen Kamelkarawanen, an Häusern mit den geschwungenen Giebeln, offenen Läden, Eseln mit Juteballen auf dem Rücken, Reitern in langen, durchgeknöpften Gewändern, Tausenden von Hunden, die wild durch die Straßen streunten, hübschen, rundgesichtigen Frauen, die ihre Kinder verschnürt auf dem Rücken trugen – und über allem strahlte ein wolkenloser, blauer Himmel. Rundherum sah man die bizarren, kahlen Lößberge und Felsen des Bagdo-Ula und des Kentai-Gebirges. Ulan-Bator selbst lag 1.300 Meter hoch auf einem riesigen Plateau, durchschnitten von dem Fluß Tolo, der im Frühjahr nach der Schneeschmelze aus dem Kentai donnerte und Felsblöcke von der Größe eines Hauses mit sich hinunterriß ins Tal von Ulan-Bator.
    In schneller Fahrt durchquerte der Moskwitsch-Wagen die Innenstadt und verlangsamte seine Fahrt erst in einem Außenviertel mit wunderschönen Gärten und modernen flachen Villen. Sie wurden künstlich bewässert. Rasensprenger drehten sich auf den im englischen Parkstil angelegten und beschnittenen Wiesenflächen. Hinter den Begrenzungsbüschen aber begann der trockene, rotgelbe Lehmsandboden, bewachsen mit hartem Steppengras und Disteln.
    General Gadan-Dalain erwartete Martin Abels auf der Terrasse seines Hauses. Er war in Zivil, trug einen hellbeigen Anzug mit weichen weißen Schuhen und wirkte wie ein zufriedener Bankier, der auf seinem Landsitz die Ferien verbringt. Sein breites, gelbliches Gesicht war zerfurcht und mumienhaft. Aber das täuschte. Seine Augen sprühten Kraft, als er Abels die Hand drückte und ihn bat, in einem der Korbsessel Platz zu nehmen.
    »Sie hatten einen guten Flug, mein Herr?« fragte er. Zur größten Verblüffung Martins sprach der General deutsch. Gadan-Dalain lächelte stolz. »Sie wundern sich? Ich hatte einen deutschen Lehrer. Auf der Kriegsakademie in Moskau. Sie sehen, meine Berührung mit Ihrem Land hat schon sehr früh stattgefunden. Sie trinken Tee? Oder trinken Sie lieber Bier, wie alle guten Deutschen?« Er lachte und verbreitete das Wohlwollen eines harmlosen Greises.
    »Ich habe geschlafen, General!« Abels sah seinen Gastgeber nachdenklich an. »Seitdem fehlen mir zwei Pistolen.«
    »Was Sie nicht sagen.« Der General schüttelte den Kopf. »Spitzbuben gibt es überall. Aber trösten Sie sich – bei uns brauchen Sie keine Waffen. Wir sind ein friedliches Land. Die

Weitere Kostenlose Bücher