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Ein Mädchen aus Torusk

Ein Mädchen aus Torusk

Titel: Ein Mädchen aus Torusk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht wahr, Benno?«
    »Das weißt du, Inken. Und ich gäbe alles hin, wenn ich den Schatten Martin Abels' aus deinem Herzen verdrängen könnte. Vielleicht gelingt es mir.«
    »Du mußt Geduld haben, Benno.« Inken streichelte die Mähne ihres Schimmels. »Ich weiß ja, daß er nie wiederkommt. Damit muß man sich abfinden, auch wenn es schwer ist.« Sie wandte sich wieder Fahrenkrug zu, und plötzlich lächelte sie. »Du bist ein so lieber Kerl, Benno.«
    »Bloß ein ›Kerl‹?«
    »Nein. Mehr.«
    »Ist das wahr, Inken?«
    »Ja.«
    Sie beugte sich zu ihm hinüber und küßte ihn. Es war das erstemal, daß sie ihn küßte. Bisher hatte immer nur er sie in seine Arme gezogen und ihren Mund geküßt. Stets hatte er dabei das Gefühl gehabt, daß sie es bloß duldete. Nie hatten sich ihre Lippen unter seinem Kuß geöffnet, nie waren sie warm oder blühten auf. Sie blieben geschlossen, kalt, zusammengepreßt, und oft hatte er das Empfinden, eine Wachspuppe könne einen Kuß nicht lebloser erwidern. Jetzt aber beugte sie sich vom Pferd aus zu ihm und küßte ihn von sich aus, und ihre Lippen waren warm und blutvoll, nicht wächsern und hart. Da griff er zu, umarmte ihren Nacken, zog ihren Kopf zu sich und preßte sie an sich. Die Pferde unter ihnen zitterten und wurden unruhig, sie schnaubten und stampften, aber das störte sie nicht. Zum erstenmal empfanden sie, daß sie zueinander gehörten, daß innerlich aus zwei Seelen eine einzige wurde, daß ihre Körper zueinanderdrängten und das Blut schneller und wie mit Sekt versetzt durch ihre Adern pulste.
    »Laß uns schnell heiraten, Benno«, sagte Inken, als sich ihre Lippen voneinander lösten. »Ich fühle, wie ich wieder glücklich bin … und ich habe große Angst, dieses Glück auch wieder zu verlieren.«
    Als sie heimritten, in einem leichten Trab über die Wiesen, lachten sie wie verspielte Kinder, jubelten über neckende Zurufe und warfen sich Kußhändchen zu. Und dann geschah es. Sie übersprangen weder einen Zaun, noch galoppierten sie, noch jagten sie mit den Pferden um die Wette … ein kleines Loch im Rasen war es, vielleicht ein Luftloch einer Feldmaus, im Gras nicht sichtbar. Aber der Schimmel sank plötzlich mit dem rechten Vorderhuf ein, er stolperte, erschrak, machte einen abwehrenden Buckel, stutzte, und Inken Holgerson fiel über den Hals des Pferdes auf die Erde. Noch im Fallen versuchte sie als geübte Reiterin, sich zu drehen, aber der Sturz kam so plötzlich, daß der Gedanke: »Nicht mit dem Kopf zuerst!« später einsetzte als der Aufprall.
    Ein wahnsinniger Schmerz durchzuckte Nacken und Wirbelsäule Inkens, es war, als bräche sie mittendurch, als zerschneide sie ein glühendes Messer unterhalb des Nackens. Sie hörte noch den Schrei Benno Fahrenkrugs: »Inken! Um Gottes willen! Inken!«, spürte, wie zwei Arme sie umfingen und sie aufrichteten, dann war wieder dieser wahnsinnige Schmerz da, der das Gehirn explodieren ließ. Sie schrie grell auf, krallte sich in den Rock Bennos fest und starrte mit weitaufgerissenen Augen in den Schneehimmel.
    »Mein Kopf!« schrie sie. »Benno … mein Kopf springt auseinander …«
    Dann fiel sie in Ohnmacht und wurde von dem glühenden Schmerz erlöst.
    In der Klinik von Professor Dahrfeld wachte sie auf. Sie lag in einer Art Wanne, langgestreckt, bandagiert und den Kopf mit Nacken und Schultern und Rücken zu einem unbeweglichen Block vereinigt. Eine Schwester saß auf einem Stuhl neben ihrem Bett und lächelte sie an, als sie versuchte, die Arme zu heben. Sie hatte keine Schmerzen dabei, nur ein dumpfes Gefühl lag über ihr, eine Art bleierner Müdigkeit, die durch den ganzen Körper zog.
    »Ganz still liegen, Fräulein Holgerson!« sagte die Schwester und drückte seitlich des Bettes auf einen Klingelknopf. Dreimal. Das Signal für den Arzt: Sie ist aufgewacht.
    Inken gab Antwort durch ein Senken der Wimpern. Sie konnte sich nicht bewegen. Die Beine hingen an ihrem Körper wie zwei leblose Fleischwürste. Sie spürte gar nichts als diese rätselhafte Dumpfheit. Aber das Gehirn konnte wieder denken. Es erinnerte sich. Bebsy, die Schimmelstute, scheute plötzlich … und dann der Sturz über den Pferdehals, der feurige Schmerz im Nacken und im Rücken, der Aufschrei Bennos …
    »Habe ich mir etwas gebrochen, Schwester?« fragte sie leise.
    »Ich weiß es nicht, Fräulein Holgerson. Der Herr Professor wird gleich kommen und sich mit Ihnen unterhalten.«
    Im Zimmer des Chefarztes saßen Reeder Holgerson

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