Ein Maerchenprinz aus dem Orient
kämmen, und hoffte, dass ihr Zopf noch ansehnlich aussah. Inzwischen hatte der Unbekannte Bethanne fast erreicht. Ihr fiel auf, dass sein Haar leicht gewellt war. Wie würde er wohl aussehen, wenn es zerzaust war? Oder wenn sie mit den Händen hindurchfahren würde?
Sie schluckte und versuchte, den Blick abzuwenden. Solche Fantasien brachten nichts. Der Mann musste Scheich Rashid al Harum sein, der zukünftige Verlobte ihrer Passagierin. Haile al Benqura konnte sich glücklich schätzen. Vermutlich hatte sie sich bereits beim Anblick seines Fotos Hals über Kopf in ihn verliebt. Jetzt holte er seine Braut ab, der eine traumhafte Zukunft an der Seite eines umwerfenden Mannes bevorstand.
âIch bin Rashid al Harum. Willkommen in Quishariâ, sagte er auf Englisch und betrat das Flugzeug.
âDanke.â Bethanne räusperte sich. Normalerweise klang ihre Stimme nicht so heiser. Der Typ machte sie eindeutig nervös. âBethanne Sanders. Mein Copilot Jess Bradshaw.â Sie sah, wie sich seine Augen kurz vor Ãberraschung weiteten. Daran war sie gewöhnt. Obwohl immer mehr Frauen Flugzeuge führten, gab es nach wie vor wesentlich mehr männliche Piloten. Besonders auÃerhalb der Vereinigten Staaten.
Rashid al Harum neigte leicht den Kopf. Dann sah er sich in der Kabine um.
Hailes Begleiterin erhob sich und begann schnell und mit erregter Stimme auf ihn einzureden.
Bethanne konnte Haile noch immer nicht entdecken. Ging es ihr nicht gut? Sie blickte von der Frau zum Scheich und wünschte, sie würde ihre Sprache verstehen. Die Miene des Scheichs verfinsterte sich zusehends. Dann wandte er sich Bethanne zu und bedachte sie mit einem durchdringenden Blick. âWas wissen Sie über Hailes Verschwinden?â, fragte er auf Englisch.
Erschrocken sah sie sich um. âIst sie denn nicht im Bad?â Ein ungutes Gefühl überkam sie. Was hatte die Begleiterin gesagt? Wo war Haile al Benqura?
âAllem Anschein nach hat sie Marokko nicht verlassenâ, sagte der Scheich aufgebracht.
âWie bitte? Das ist unmöglich. Ich habe sie persönlich in der Maschine herumgeführt. Sie war an Bord, als wir uns zum Start bereit machten.â Sie wandte sich an Jess. âDu hast sie doch auch gesehen.â
Jess schüttelte leicht den Kopf. âDaran kann mich nicht erinnern. Ein Bordtechniker lief die Gangway hinab, als ich in die Maschine stieg. Sonst hat niemand das Flugzeug verlassen.â
âWir hatten aber keinen angefordert. Hier war alles in Ordnungâ, erklärte Bethanne. Was wurde hier gespielt? Wo befand sich Haile? âWas hat sie gesagt?â, erkundigte sie und deutete auf Hailes Begleiterin.
Der Scheich musterte Bethanne einen Moment durchdringend. Dann antwortete er mit leiser, beherrschter Stimme, die nicht dazu angetan war, sie zu beruhigen. âIch schlage vor, dass wir beide uns unter vier Augen unterhalten.â
Sie erwiderte seinen Blick und erschauerte leicht. Irgendetwas war schiefgelaufen. Bedrohlich hatte sich der Scheich vor ihr aufgebaut.
âIch kontrolliere dann mal, ob am Boden alles in Ordnung istâ, lieà Jess sich mit offensichtlicher Erleichterung vernehmen und verschwand. Als er sich auÃer Hörweite befand, sprach der Scheich kurz auf die ältere Frau ein.
Die wandte den Blick ab und nickte. Dann nahm sie auf der Kante des Sofas Platz und sah aus einem der kleinen Fenster.
âSie sagt, dass Haile die Maschine vor dem Start in Marokko wieder verlassen hat, um mit einem Liebhaber durchzubrennen.â
âWie bitte? Das kann doch nicht sein. Ich dachte, sie wollte zu Ihnen. Sie ist doch Ihre Verlobte. Jedenfalls so gut wieâ, platzte Bethanne heraus, ehe sie sich bremsen konnte. Sie fand es unvorstellbar, dass eine Frau mit einem anderen davonlief, wenn sie diesen Mann haben konnte.
âSo war es jedenfalls geplant. Wir verhandeln schon seit Monaten über ein Erdölabkommen zum Vorteil beider Länder. Gleichzeitig sollten unsere Familien durch eine Heirat verbunden werden. Meine Verwandten und viele Leute im Land erwarten die Ankunft meiner zukünftigen Frau. Und jetzt ist sie nicht hier.â
Bethanne schluckte, als sie seine Augen vor Zorn aufblitzen sah. Dann riss sie sich zusammen und entgegnete mit erhobenem Kinn: âIch trage nicht die Verantwortung dafür, dass sie das Flugzeug wieder verlassen hat. Ich war der Ãberzeugung, sie sei in der Kabine. Dort
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