Ein Magier im Monsterland
diesem Wald schien es so gut wie keine Vögel zu geben. Doch wenn mein Meister einen Kommunikations-Spruch wollte, dann sollte er ihn auch bekommen. Hier war es so still, daß ich gar nicht anders konnte, als es zu schaffen.
Ich stellte mir eine Krähe vor. Einen großen, braunen Vogel, dessen Gefieder in der Sonne schimmerte. Ich flüsterte die richtigen magischen Worte, schwang mich von meinem imaginären Ast auf und krächzte den Himmel an. Norei! Ich flog, flog hoch über den Wolken. Norei!
Tief unter mir entdeckte ich die roten Haare meiner Geliebten. Ich flog eine Schleife und segelte herab, nur um ihr nahe zu sein. Diesmal würde ich sie nach ihrer Botschaft fragen!
»Wuntvor?« Norei blickte nach oben.
»Ja!« schrie ich, beinahe von Freude überwältigt. »Ich…«
Der Zauberer nieste.
»Norei!« rief ich verzweifelt.
Die Erde unter meinen Füßen bebte. Eine ziemliche Menge Dreck und Kiesel prasselte auf mich und den Magier herab.
Nein! Nicht jetzt!
Ich konnte nichts dagegen tun. Alle Gedanken an Vögel oder Norei entflohen meinen Gehirnwindungen. Hinterlistige Dämonenbrut! Sie griffen immer dann an, wenn wir am schwächsten waren.
Mein Meister war immer noch in seinem Niesanfall gefangen. Also war es an mir, die Dämonen aufzuhalten, bis der Meister sich genügend erholt haben würde, um sie durch einen Spruch zu vertreiben. Ich schwang meinen stabilen Eichenstab gegen die Dunstwolke, die sich an der Stelle der Explosion auszubreiten begann.
»Da sind sie!« konnte ich eine hohe, beschwingte und leider nur zu gut bekannte Stimme vernehmen.
Der Dunst hob sich vom Boden an empor, und so enthüllte er zunächst einen kleinen Kerl, ungefähr einen halben Meter groß, gekleidet in einen braunen Umhang mit einer ebensolchen Kapuze. Auf seiner linken Seite befand sich jemand mit einem bodenlangen Umhang, und auf der anderen Seite ein Paar massiver Füße, Waden und Oberschenkel.
Die Beine des Schuhberts zitterten böse. Er setzte sich abrupt nieder. »Entschuldigt, Leute. Muß mich nur kurz mal ausruhen.«
»Verdammnis!« donnerte eine tiefe Stimme. »Der Schuhbert hat sein Versprechen gehalten.«
»Schon gut«, quäkte eine andere Stimme. »Es ist nicht gerade die bequemste aller Reisemöglichkeiten.« Der Nebel löste sich nun auf. Ich konnte Snarks ausmachen, der noch mehr Staub aus seinen Gewändern zu schütteln versuchte.
»Jetzt sieh dir an, was du getan hast!« Hendrek, der meinen Meister aufmerksam beobachtete, steckte Schädelbrecher wieder in seine Schutzhülle zurück. »Welch teuflische Machenschaften auch immer uns von dem Zauberer getrennt haben, der Schuhbert hat uns wieder vereint, obwohl das seine ganze Kraft gekostet hat!« Er funkelte Snarks düster an, so daß dieser sich lieber in die Tiefe seiner Gewänder zurückzog.
»Gzzphttx!« war seine Antwort.
»Verdammnis!« murmelte Hendrek leise. Er wandte sich an mich und den Zauberer. »Dank sei den Göttern, wir haben euch wiedergefunden! Augenscheinlich sind die Pläne der Niederhöllen noch niederträchtiger, als wir uns vorzustellen vermochten. Sie wollen uns voneinander trennen und dann unbarmherzig einen nach dem anderen erledigen!«
Mein Meister strich sich bedächtig seinen langen, weißen Bart. »In der Tat«, bemerkte er. »Wir müssen noch wachsamer sein!«
Hendrek wies mit seinem Keulensack auf den kleinen Kerl, der im Schmutz saß. »Den Göttern sei abermals Dank, denn wir haben jetzt diesen edlen Schuhbert zum Gefährten gewonnen!«
»O nein!« protestierte der Schuhbert und schwang sich auf die Füße. »Das war kein richtiger Wunsch! Ihr hattet mich um eine kleine Demonstration gebeten, und ich wollte euch hiermit nur einen Eindruck von der großen Schuhbert-Show vermitteln! Die drei richtigen Wünsche kommen jetzt erst!«
Ich sah meinen Meister an. Dieser stille Fleck Wald war plötzlich zu einem Ort geworden, der mindestens genauso betriebsam wie ein Marktplatz war. Wieder einmal hatten wir unsere gepriesene Einsamkeit und damit jede Chance verloren, mit Norei Kontakt aufzunehmen. Und doch – da stand mein Meister im Zentrum des Geschehens, strich sich seinen Bart und gab eine perfekte Verkörperung von Ruhe und Gelassenheit ab. Alles in allem schien er es nicht weiter tragisch zu nehmen.
»Das ist wahr«, meldete er sich schließlich in einer Gesprächspause zu Wort. »Wir befinden uns in einer gefahrvollen Situation, deren wahre Ausmaße bislang noch nicht bekannt sind. Zu unser aller Bestem werden
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