Ein Magier in Nöten
den LEHREN DES EBENEZUM, Band VI (Appendix B)
Nach unserem betrüblichen Erlebnis mit König Urfoo in Krenk erwarteten sowohl Ebenezum als auch ich, daß sich unser Blatt nun zum Besseren wenden würde. Vielleicht könnten wir ja noch vor Vushta einen Magier finden, der mächtig genug war, um Ebenezums Krankheit heilen zu können.
Doch die Stadt der tausend verbotenen Lüste wurde mit jedem verstreichenden Tag zu mehr als nur einer wagen Möglichkeit. Denn da wir aus dem einen Königreich vertrieben worden und auch in den nächsten beiden nicht gerade willkommen waren, hatten wir keine Chance, irgendwelche Zauberer zu treffen. Darüber hinaus waren da noch die Kopfgeldjäger, die Urfoo uns auf den Hals geschickt hatte, die sieben Tage anhaltenden Regens und der Zwischenfall mit den Riesensumpfratten, an den ich lieber gar nicht denke.
Und immer noch schritt mein Meister voran, stolz und erhaben auf seinem Weg ins ferne, verbotene Vushta. Ich würde ihm dorthin und überallhin folgen, denn selbst mit seiner Behinderung war Ebenezum der größte Magier, den ich kannte!
Gerade als ich meiner Verehrung für ihn irgendwie Ausdruck verleihen wollte, stolperte ich, rutschte den Hang hinunter und kollidierte mit meinem Meister.
Unser gemeinsamer Fall endete in einem Busch am Fuße des Hügels. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, erhob der Zauberer sich mit einem Grollen, das der Vorbote eines aufziehenden Gewitters sein mochte. Betont langsam drehte er sich um, um mir ins Gesicht zu sehen. Ich beobachtete die Augen unter den buschigen Brauen und erwartete das Unvermeidbare.
»Wuntvor«, sagte der Magier; seine Stimme hatte die Durchschlagskraft eines Erdbebens, das ein Gebirge zerteilt. »Wenn du unfähig bist, auf deine Füße…«
Mein Meister brach mitten im Satz ab und starrte über meinen Kopf hinweg. Ich stammelte eine Entschuldigung, doch der Zauberer gebot mir mit einer Geste zu schweigen.
»Was hörst du, Lehrling?« fragte er mich statt dessen.
Ich horchte angestrengt, entdeckte jedoch nichts. Was ich ihm mitteilte.
»Eben«, erwiderte er. »Absolut nichts. Wir haben Spätsommer, befinden uns mitten im Wald, und doch sehe ich keinen einzigen Vogel und höre kein einziges Insekt. Obwohl ich gestehen muß, daß das Fehlen letzterer mich nicht gerade mit Trauer erfüllt.« Der Magier kratzte sich an einer rötlichen Erhebung neben seinem langen weißen Bart. Während der sieben Tage Dauerregen hatten wir umfangreiche Erfahrungen mit Moskitos und Stechmücken sammeln können.
»Mich dünkt, Wunt, als fehle etwas.«
Ich horchte noch einmal. Der Wald lag in absoluter Stille; die einzigen Geräusche waren unsere eigenen Atemzüge. Nie außer vielleicht an den kältesten Wintertagen hatte ich eine solche Stille gehört. Ein kalter Schauder schlich mir die Wirbelsäule herauf – äußerst erstaunlich in dieser spätsommerlichen Hitze.
Mein Meister entstaubte seine Roben. »Wir scheinen zu einer Lichtung gekommen zu sein.« Er wies mit dem Kopf in Richtung Tal. »Vielleicht finden wir eine Behausung oder sogar jemanden, der uns nähere Informationen über diese Gegend geben kann. Inzwischen können wir uns in der Abwesenheit von jedweden Insekten die Sonne auf den Pelz brennen lassen.« Während er den Hügel hinunterging, kratzte er sich geistesabwesend den Nacken. »Man muß immer die positiven Seiten einer Sache betrachten, Wunt.«
Eilig sammelte ich die Vorräte, Bücher und Zauberutensilien wieder ein, die während unseres Abstieges aus dem Reisesack gefallen waren, und folgte meinem Meister. Ich kletterte hinter ihm her über unebenen Boden, wobei ich das Unterholz möglichst vermied. Doch der Bewuchs dünnte immer mehr aus, bis wir uns auf einer großen Lichtung aus blanker Erde wiederfanden, in deren Zentrum ein Ring aus sieben massigen Monolithen stand.
»Jetzt haben wir noch nicht einmal mehr Gras«, brummte Ebenezum. »Komm, Wunt, wir werden diese Sache einmal genauer inspizieren.« Als er mit ausgreifenden Schritten über die nackte Erde ging, erhoben sich dichte Staubwolken. Ich folgte ihm auf den Fersen und versuchte krampfhaft, nicht zu husten.
Als wir den ersten Monolithen erreichten, sprang etwas aus seinem Schatten hervor.
»Buuuh!« machte es. Ich ließ meinen Reisesack fallen, doch Ebenezum blieb einfach stehen und sah sich die Erscheinung an.
»In der Tat«, sagte er nach einem Moment.
»Buuuh! Buuh! Buh!« kreischte das Wesen, das auf uns losgegangen war. Bei näherer
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