Ein Magier in Nöten
Betrachtung konnte ich es einwandfrei als menschlich identifizieren, mit langen grauen Haaren, die ins Gesicht fielen, und braunen Lumpen, die den Körper einhüllten. Die Gestalt hob knochige Hände und kam auf zittrigen Beinen auf uns zu.
Keiner von uns bewegte sich. Außer Atem machte unser Angreifer eine Pause. »Funktioniert wohl nicht, wie?« krächzte sie schließlich. Es war eine alte Frau; ihre Stimme klang hoch und gebrochen.
Ebenezum strich über seinen Schnurrbart. »Was funktioniert nicht?«
»Hab’ euch anscheinend nicht zu Tode erschreckt.« Sie teilte den Vorhang von Haaren vor ihrem Gesicht und lugte in den Himmel hinaus. »Ist wahrscheinlich auch sowieso zu spät für euch, um noch wegzukommen. Könnt euch genausogut hinsetzen und warten.« Sie sah sich nach einem geeigneten Stein um und ließ sich darauf nieder.
»In der Tat«, bemerkte Ebenezum. »Warten auf was?«
»Das wißt Ihr nicht?« Die Augen der Alten weiteten sich vor Erstaunen. »Sir, Ihr seid im schrecklichen Tal von Vral!«
»In der Tat«, gab Ebenezum höflich zur Antwort, als deutlich wurde, daß die Alte nichts mehr zu sagen beabsichtigte.
»Jetzt sagt mir nicht, daß Ihr noch nie etwas davon gehört habt. Was, dann kommt Ihr also aus den unwissenden Westlichen Königreichen?« Die Frau lachte höhnisch. »Jeder kennt das schreckliche Tal von Vral und den ebenso schrecklichen Fluch, der es alle einhundertsiebenunddreißig Jahre einmal trifft. Nicht, daß dieses Plätzchen sonst besonders freundlich wäre« – sie spuckte auf die ausgedörrte Erde –, »doch alle einhundertsiebenunddreißig Jahre ist hier die Hölle los. Das ist eine Nacht, wo keiner, der dann noch im Tal ist, mit dem Leben davonkommt.«
Ich mochte die Richtung, die unser Gespräch annahm, ganz und gar nicht. Ich schluckte schwer und räusperte mich. »Meine Dame, hättet Ihr die Freundlichkeit uns mitzuteilen, wann genau diese Nacht ist?«
»Habe ich das nicht gesagt?« Die Vettel lachte erneut. »Heute ist die verfluchte Nacht im Tal von Vral. Sie beginnt, wenn die Sonne hinter diesem Hügel versunken ist.« Sie wies hinter mich.
Ich folgte der Bewegung ihres Armes und schaute auf die Sonne, die bereits die Spitze des westlichen Hügels erreicht hatte, dann blickte ich Ebenezum an. Er stierte durch mich hindurch, seinen Gedanken hingegeben. Unser Glück schien uns nicht zu verlassen.
»Wenn wir alle sterben müssen«, erwiderte Ebenezum endlich, »was macht Ihr dann hier?«
Die Alte sah von uns weg. »Ich habe meine Gründe, die sicherlich niemand außer mir interessieren dürften. Nur soviel, daß dies Land hier einst grün und lieblich war und von einer Prinzessin, so lieblich wie das Land selbst, regiert wurde. Doch dunkle Zeiten fielen über das Land, und der Himmel regnete Kröten, und die Prinzessin verfiel in Furcht. Doch ihr Gefolgsmann, der schöne…«
»Ihr habt zweifelsohne recht«, unterbrach sie Ebenezum. »Niemand würde sich für all das interessieren. Ihr habt also beschlossen zu sterben, weil es Kröten regnete?«
Die Frau seufzte und betrachtete die Sonne, die hinter der Hügelkuppe versank. »Nicht ganz. Mein Körper ist alt und krank. Ich muß sterben. Ich dachte nur, der alten Maggie einen stilvollen Abgang zu verschaffen.«
»Maggie?« Ebenezum kratzte nachdenklich an seinem Insektenstich. »Die Kurzform von Magredel?« Er starrte in ihr zerfurchtes Gesicht.
»Oh, ich habe diesen Namen schon seit Jahren nicht mehr benutzt. Nicht seit ich diese stumpfsinnigen Westlichen Königreiche verlassen habe. Ich habe dort eine Zeitlang als Hexe gearbeitet, wahrscheinlich habt Ihr da von mir gehört. Habe mich allerdings nicht spezialisiert, war mehr so etwas wie eine Hexe fürs Allgemeine.«
»Maggie?« wiederholte Ebenezum. »Wie Tante Maggie?«
Jetzt blinzelte Maggie mit den Augen. »Sagt, kenne ich Euch nicht?«
Direkt hinter mir gab es eine Explosion. Wir fuhren alle drei herum und erblickten eine große bleiche Erscheinung auf dem größten der sieben Monolithen.
»Willkommen, meine Damen und Herren!« rief die Erscheinung mit einem Wirbeln ihrer Robe. »Willkommen zur verfluchten Nacht!«
»Gleichfalls willkommen, Tod!« erwiderte Maggie. »Ich hoffe doch sehr, daß du heute nacht nicht unter deinem Niveau bleiben wirst!«
Tod lachte; es war ein hoher, widerhallender Ton, der mich fast zu Tode ängstigte. Als ich Ebenezum später davon erzählte, klärte er mich darüber auf, daß das ohne Zweifel die angestrebte Reaktion
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