Ein magischer Walzer
durchquerte er den Raum zu Giles und Lady Elinore. Wenigstens war Lady Elinore nicht sogleich aufgesprungen, um sich mit den anderen um den Künstler zu scharen, bemerkte Sebastian zufrieden. Eine überlegt handelnde Frau.
„Nun, was halten Sie davon?“ Er deutete mit dem Kopf zur Bühne. „Schon jemals so etwas gesehen?“
„Nein, in der Tat nicht. Eine höchst exzellente Vorstellung“, pflichtete ihm Lady Elinore bei.
Sebastian schnaubte abfällig. „Eine schöne Vorführung.“
„Ich habe ihn als ,byronesk‘ beschrieben gehört“, erklärte Lady Elinore, „aber mir war nicht klar, dass es in diesem Maße treffend sein würde. Die Gesellschaft neigt gewöhnlich dazu, bei solchen Sachen zu übertreiben, aber in diesem Fall scheint es angemessen. Meinen Sie nicht auch, Mr. Reyne?“
„Was? Dass er angemessen ist?“ Sebastian blinzelte. Miss Hope hatte ihre Augen gar nicht von dem verflixten Fiedelspieler abwenden können.
„Byronesk.“
Sebastian runzelte die Stirn. „Ich dachte, er sei ungarisch.“ Giles und Lady Elinore lachten, als hätte er einen großartigen Witz gemacht. Giles erwiderte: „Ja, als sei er geradewegs aus ,Giaur‘ entsprungen.“
Sebastian nahm an, dass dies Dschaur ein Ort in Ungarn war. Mit solchen Sachen kannte er sich nicht aus. Er war nur ein paar Jahre lang zur Schule gegangen, wie Giles sehr gut wusste, und Lyrik hatte nicht zum Unterricht gehört.
„Nein, viel eher aus ,Der Korsar“, denke ich“, sagte Lady Elinore. „,Seine Stirn so hoch und bleich, Ebenholzlocken wild und weich“ ..."
„Passend in der Tat“, pflichtete ihr Giles bei. „,Und die stolze Lippe wie gequält, den anmaßenden Gedanken kaum verhehlt.“ Allerdings sieht es nicht so aus, als wolle er seine anmaßenden Gedanken verhehlen - über die Minderwertigkeit der ihm dargebotenen Stärkungen, zum Beispiel.“
Giles lachte über seinen Witz, Lady Elinore runzelte die Stirn. Sebastian, der keine Ahnung hatte, wovon sie sprachen, runzelte ebenfalls die Stirn. Miss Hope schenkte dem albernen Kerl viel zu viel Aufmerksamkeit.
Lady Elinore verkündete mit kühlem Emst: „Mr. Bemerton, ich hoffe, Sie machen sich nicht über den Grafen lustig. Meine Bewunderung war vollkommen ehrlich gemeint. Er ist der beste Violinist, den ich je gehört habe. Die Tatsache, dass er außerdem noch Lord Byrons romantischstem Helden ähnlich sieht, ist kein Grund für unangebrachte Späße. Ganz im Gegenteil, es steigert seine Attraktivität nur noch.“ Damit drehte sie sich zum Gehen um und ließ Giles mit offenem Mund stehen.
„Hast du das gesehen?“
„Allerdings“, murmelte Sebastian, der keinen Moment das Geschehen neben der Bühne aus den Augen gelassen hatte. „Eine absolute Schande.“
„Sie hat mich gemaßregelt. Wieder! “
„Hm. Wer?“
„Lady Elinore! Sie hat mich wegen meiner unangebrachten Späße gemaßregelt und ist dann beleidigt davongesegelt!“ Giles war fassungslos. Und von dem Glitzern in seinen Augen her zu schließen, auch belustigt. „Noch nie hat eine Frau so mit mir gesprochen, und ganz bestimmt keine unansehnliche graue Maus wie sie.“
„Ähem!“ Sebastian räusperte sich bedeutungsvoll, aber Giles entging die Warnung, daher war er gezwungen hinzuzufügen: „Wenn du dich bitte erinnern willst, dass du von meiner Zukünftigen sprichst.“
„Was? Ach ja, natürlich. Tut mir leid.“ Giles starrte Lady Elinore hinterher.
„Was hast du eigentlich heute getan, um sie gegen dich aufzubringen?“
Giles deutete mit seinem Kinn zur Bühne. „Den Fiedelspieler beleidigt.“
Sebastian schnaubte. „Der Mann kann gar nicht genug beleidigt werden! Verfluchter Schnösel!“ Die Merridew-Schwestern standen immer noch da, offensichtlich fasziniert von dem Grafen.
Giles nickte. „Der Kerl schreit förmlich nach einem Schlag auf die Nase, wenn du mich fragst.“
„Ganz genau meine Gedanken.“
In völligem Einvernehmen beobachteten sie, wie sich die Damenwelt um den Grafen drängte. Die Merridew-Mädchen waren ganz vorne, direkt neben ihm. Lady Elinore hatte sich unauffällig zu dem Kreis der Bewunderinnen gesellt. Sebastian erklärte: „Ich schaue mir das hier nicht länger an.“
Angewidert schüttelte Giles den Kopf. „Ich auch nicht. Lass uns zu dir gehen. Ich brauche jetzt etwas Ordentliches zu trinken.“
Als sie jedoch bei dem Haus ankamen, das Sebastian für die Saison gemietet hatte, wartete dort schon eine dringende Nachricht von seinem Butler aus
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