Ein magischer Walzer
seufzte, als das Stück zu Ende ging. Sie hatte eigentlich nicht geglaubt, sich heute gut zu unterhalten: Musik war Faith’ Leidenschaft, nicht ihre. Und da die meisten Leute, die diesen schneidigen Ungarn hören wollten, weiblichen Geschlechtes waren, hatte Hope nicht damit gerechnet, Mr. Reyne zu sehen. Aber er war nicht nur gekommen, man hatte ihn auch noch neben sie gesetzt.
Sein Freund Mr. Bemerton saß mit Lady Elinore auf der anderen Seite des Salons. Vielleicht irrte sich Mrs. Jenner; vielleicht war es Mr. Bemerton, der Lady Elinore den Hof machte, nicht Mr. Reyne. Oder es war eine List, um das Gerede im Keim zu ersticken.
Waren am Ende beide an Lady Elinore interessiert? War das der Grund für Mr. Reynes Verstimmung? Hope musterte die betreffende Dame verstohlen. Nach ihrem Äußeren beurteilt, schien sie nicht die Sorte Frau zu sein, um deren Aufmerksamkeit sich gleich zwei gut aussehende Männer mühten. Sie stand im Ruf, exzentrisch zu sein, und ihre Kleidung heute Abend war hausbacken. Genau genommen ...
Hope runzelte die Stirn. Zwar hatte sie Lady Elinore ein-oder zweimal gesehen, aber sie hatte keinen Eindruck auf sie gemacht. Sie hatte sie mehr oder weniger als unwichtig abgetan, doch heute Abend, als sie Lady Elinores unerbittlich graues Kleid betrachtete, den breiten grauen Schal und ihr streng nach hinten frisiertes Haar, das zu großen Teilen von einem schmucklosen, wenig schmeichelhaften grauen Häubchen bedeckt wurde, fühlte sich Hope stark daran erinnert, wie Großvater sie immer gezwungen hatte, sich zu kleiden.
Als wäre es ein Verbrechen, eine Frau zu sein ...
Der Violinist stampfte mit dem Fuß auf, und Hope zuckte schuldbewusst zusammen, aber er hatte es nicht getan, weil sie unaufmerksam war; sondern weil er ein lebhaftes Zigeunerlied mit viel Gestikulieren und Stampfen begann. Seine Violine schluchzte mit Leben und Dramatik. Der Mann sah wirklich gut aus. Mit den ungezähmten Locken, die ihm jungenhaft in die Stirn fielen, und den wie gemeißelten Lippen würde ihm binnen kurzem die Londoner Damenwelt zu Füßen liegen. Er schien geradewegs aus einer von Lord Byrons fantasievolleren Balladen entsprungen zu sein.
Er ließ sie vollkommen kalt.
Der Graf stampfte wieder auf, vermutlich sollte es wie bei einem Kosaken sein. Sie sah sich im Raum um. Alle blickten wie gebannt nach vorne. Damen lehnten sich in ihren Stühlen vor, die Hände hingerissen auf die Brust gelegt, und seufzten entzückt, während der Graf spielte, stampfte und seine langen schwarzen Locken schüttelte. Er hatte etwas sehr Theatralisches, so wie er sich gab. Und der enge Schnitt seiner weißen Hosen war mehr als ein bisschen vulgär. Sie nahm an, dass es einfach dazugehörte, wenn man auf der Bühne auftrat. Und zweifellos konnte er spielen. Nicht dass sie ein besonderer Musikkenner war; das überließ sie ihrer Schwester.
Sie schaute zu Faith und lächelte. Ihre schüchterne Schwester saß stocksteif, umklammerte ihr Retikül und starrte den Ungarn mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen an, als sei sie verhext. Graf Rimavska war nicht nur gut, begriff Hope, er musste absolut brillant sein. Faith konnte sehr kritisch mit weniger begabten Künstlern sein und bewunderte jeden, der gut spielte, aber sie hatte ihre Schwester nie einen Musiker so verehrungsvoll, ja fast ehrfürchtig anschauen gesehen.
Faith konnte ihn gerne haben. Trotz seines unbestreitbaren Talentes und seiner dunklen, gut geschnittenen Züge fand Hope den Grafen nicht annähernd so anziehend wie den großen, finster blickenden Mann an ihrer Seite. Verstohlen sah sie zu ihm, weil sie wissen wollte, ob Mr. Reyne den Vortrag genoss, aber er studierte gedankenverloren seine Schuhe. Warum war er so verstimmt? War es Lady Elinore, die Musik oder etwas anderes, ein Problem in seinem Leben? Sie wollte sich Vorbeugen, sich bei ihm unterhaken und ihn trösten.
Nach dem finalen Crescendo stand der Graf einen Augenblick leicht schwankend, ließ sich dann erschöpft von seinem leidenschaftlichen Vortrag auf einen nahen Stuhl sinken und erklärte, er benötige eine Erfrischung, ehe er fortfahren könne. Damen und Dienstboten eilten zu ihm.
Von Mr. Reyne war ein gedämpftes Schnauben zu hören.
Hope lächelte. Schon aus der konzentrierten Betrachtung seiner Schuhe hatte sie geschlossen, dass Mr. Reyne von dem Grafen nicht gefesselt war; jetzt schien er ihre Meinung zu teilen.
„Nun, Mr. Reyne, was denken Sie begann sie, aber ihre Schwester packte
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