Ein magischer Walzer
sie drängend am Arm.
„Hope! Hope, ich muss zu ihm! Komm mit!“, verlangte Faith. Es war ungewöhnlich für ihre Zwillingsschwester, sie so eindringlich um etwas zu bitten, daher ließ Hope es nach einem kleinen, entschuldigenden Lächeln zu Mr. Reyne geschehen, dass ihre Schwester sie mit zu der Gruppe hingerissener Bewunderer zog.
Gerade lehnte der Graf die ihm gereichten Speisen ab. „Wein und Gebäck? Pah, das ist etwas für Frauen, und ich bin ein Mann.“ Er winkte den Champagner fort. „Gibt es keinen Wodka? Nun gut, Brandy wird zur Not gehen. In Paris hat man mich mit dem feinsten Wodka bewirtet.“ Er nahm das Brandyglas und kippte sich den Inhalt mit dramatischer Geste die Kehle herunter, dann erschauerte er übertrieben. Er öffnete seine Augen einen Spalt, musterte die versammelten Damen und sah aus wie ein satter Panther. „Irgendetwas zu essen?“
Hope verfolgte leicht belustigt von dem albernen Getue des Mannes, wie seine Bewunderinnen durcheinanderliefen, um ihm zu Gefallen zu sein.
„Schinken. Pah, wollen Sie mich vergiften?“ Er beäugte die ihm gereichte Platte mit Widerwillen. Die Dame, die sie ihm hingehalten hatte, zog sich unter Entschuldigungen zurück. Einen Augenblick zuvor hatte sie einem Lakai den Teller mit den hauchdünnen Schinkenscheiben entrissen und dem Grafen triumphierend angeboten. Die Gattin eines Adeligen, die sich für einen Künstler zur Dienerin machte. Es war ein sehenswerter Anblick.
Konnten sie nicht erkennen, dass seine Weigerung, zufrieden zu sein, Teil seiner Vorstellung war? Hope drehte sich um, um die Beobachtung mit ihrer Schwester zu teilen. Aber Faith war nicht da.
„Vielleicht mundet Ihnen ein Bissen geräucherter Lachs auf leicht gebuttertem Brot, Graf Rimavska?“ Erstaunt vernahm Hope die Stimme ihrer Schwester. Waren alle verrückt geworden?
Der Graf ließ einen angespannten Moment verstreichen, dann lächelte er billigend. „Ein Engel mit Nahrung. Von Ihren zarten Händen, o Göttliche, würde ich sogar Schinken riskieren.“ Faith strahlte, als er sie näher zog. Hope wandte sich entsetzt ab. Was tat Faith da? Diese musikalische Bewunderung ging sicherlich zu weit.
Sie suchte Mrs. Jenner. „Unternehmen Sie etwas!“
„Was soll ich Ihrer Ansicht nach tun?“
„Meine Schwester davon abhalten, sich lächerlich zu machen.“
Mrs. Jenner schaute sie ungläubig an. „Aber sie macht sich nicht lächerlich. Ich halte es für ganz reizend.“
„Aber er ... er ...“ Hope konnte kaum sprechen. „Sie bedient ihn wie eine Magd.“
„Unsinn, sie ist nur um ihn bemüht.“ Mrs. Jenner hob eine Augenbraue und erklärte süffisant: „Er ist ein Graf aus bester Familie, sagt man, märchenhaft reich und außerordentlich attraktiv. Wenigstens hat die liebe Faith sich nicht von einem dahergelaufenen Emporkömmling den Kopf verdrehen lassen.“ Sich den Kopf verdrehen lassen?Verwundert schaute Hope zu, wie ihre Schwester dem Grafen einen Leckerbissen nach dem anderen reichte. Es schien nicht richtig. Der Mann war ein Aufschneider. Sie wandte sich älteren, weiseren Häuptern zu. „Großonkel Oswald? Lady Gussie? Was tut Faith da? Sie hat sich doch noch nie so aufgeführt.“
Lady Gussie tätschelte ihr die Hand. „Es ist nur Spaß, Liebes. Faith amüsiert sich. Er ist ein schöner Mann und spielt wie ein Engel. Es ist eine Freude, die schüchterne kleine Faith zur Abwechslung flirten zu sehen. Das Mädchen ist sonst immer viel zu ernst.“
Hope runzelte die Stirn. Flirten? Faith flirtete nie. „Oh mein Gott“, flüsterte sie. „Ein Musiker!“ War er Faith’ Traummann?
Großonkel Oswald hörte sie. „Ja, aber das ist nicht schlimm. Schließlich hat er einen Titel, und die Familie ist sehr reich. Und da es im Augenblick einen erschreckenden Mangel an Dukes gibt ...“ Er zuckte die Achseln. „Lass deiner Schwester ihren Spaß.“
Sebastian beobachtete, wie der Graf sich durch den Teller mit dem Räucherlachs aß und sich dann von einer Platte mit Hummerpasteten bediente. Beides wurde ihm von einer bewundern-den Miss Faith Merridew dargeboten. Mehrere Gläser des geschmähten Brandys waren schon seine Kehle hinabgelaufen.
Der Kerl hatte keine Stärkung nötig, sondern eine Tracht Prügel. Allein vom Zuschauen musste Sebastian die Zähne zusammenbeißen. Miss Faith fütterte ihn praktisch, während ihre Schwester daneben stand und jede Bewegung hingerissen verfolgte. Unfähig, das länger mit anzusehen, ohne dass ihm schlecht wurde,
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