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Ein magischer Walzer

Titel: Ein magischer Walzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gracie
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sollte - und damit das Fehlen jeglicher Manieren bewies -, würde sie vollkommen offen mit ihm sein.
    „Sie haben Sebastian Reyne beschuldigt, hilflose Kinder auszubeuten?“ Mr. Bemerton warf den Kopf in den Nacken und lachte lauthals. Er lachte so heftig, dass Hope sich zu ärgern begann, weil er unerwünschte Aufmerksamkeit auf sie lenkte.
    „Sch!“, zischte sie. „Ich begreife nicht, was daran so komisch ist. Er hat es schließlich selbst zugegeben.“
    „Mir hat er gesagt, Sie hätten behauptet, er sei fett.“
    Sie brauchte einen Moment, um sich an den genauen Wortlaut ihres Gesprächs zu erinnern. Schließlich erklärte sie indigniert: „Das stimmt nicht. Ich habe ihm vorgeworfen, an dem Elend der Kinder fett zu werden, die in seinen Webereien schuften.“ „Denken Sie, er ist fett? Ich kann davon nichts erkennen.“ „Seien Sie nicht albern! Sie wissen doch sehr gut, dass Mr. Reyne so schlank und sehnig wie ein einsamer, hungriger Wolf ist!“
    Seine Augenbrauen hoben sich bei dieser Äußerung, und Hope erkannte, dass ihre Wortwahl missverständlich war. „Sie wissen, was ich meine“, verkündete sie und versuchte, nicht rot zu werden, was ihr aber wohl nicht gelang, denn ihre Wangen fühlten sich heiß an. „Er ist nicht fett.“
    „Ja, ich weiß.“ Mr. Bemerton lächelte freundlich. „Sie wissen es vermutlich nicht, aber er war selbst früher einmal einer dieser elenden Kinderarbeiter in genau der Fabrik, die ihm nun gehört.“
    Hope vergaß den Mund zu schließen. „Ich habe es gehört, aber vergessen.“
    Er nickte und fuhr fort: „Die Einzelheiten soll er erzählen, wenn er es will, aber keiner in diesem Saal hier versteht besser als er, was Kinder dabei erleiden oder unter welch gefährlichen Bedingungen sie arbeiten.“ Er schaute sie an. „Sind Ihnen seine verkrüppelten Finger aufgefallen?“
    Sie nickte.
    „Wieder ist es nicht an mir, die Einzelheiten zu berichten - die wird er Ihnen eines Tages anvertrauen aber er hat sich die Verletzung als Kind bei einem Unfall in der Fabrik zugezogen.“ Hope biss sich auf die Lippe. Sie fühlte sich schrecklich. Nach einer Weile erkundigte sie sich: „Woher wissen Sie all das?“ Giles lächelte. „Das kann ich Ihnen verraten, denn die Geschichte ist auch meine. Ich habe Sebastian Reyne auf der Schule kennengelernt, als wir gerade sieben Jahre alt waren.“ „Schule? Aber Sie sagten doch, er habe in einer Fabrik ...“
    Er nickte. „Einen Moment Geduld, bitte. Seine Familie - und das ist nur für Ihre Ohren bestimmt, er würde mich umbringen, wenn er wüsste, dass ich Ihnen das erzähle - ist so gut wie Ihre oder meine, obwohl ich nicht verstehe, warum er nicht will, dass es allgemein bekannt wird. Wir wurden Freunde an der Schule, und glauben Sie mir, er war der beste Freund, den ich je hatte. Ich war damals ein dürres Bürschchen.“ Er grinste. „Nicht der wohlgestalte Mann, den Sie heute vor sich sehen.“
    Hope erwiderte das Lächeln. Schlank, elegant und von durchschnittlicher Größe, würde Mr. Bemerton nie als kräftiger Mann bezeichnet werden. Es fiel ihr leicht, ihn sich als kleinen Jungen vorzustellen.
    „Nehmen Sie zu dem fehlenden Zoll das Verbrechen, lange blonde Locken zu besitzen, und Sie können sich denken, wie ich als Kind geärgert und herumgeschubst wurde.“ Der leichte, fröhliche Ton verschwand. Leise erklärte er: „Mein Leben war die Hölle.“
    Er machte eine Pause, als die Schritte des Tanzes sie trennten, und Hope überlegte, dass alle Kinder ihr Kreuz zu tragen hatten. Wenn man Mr. Bemerton so ansah, könnte man meinen, sein Leben sei immer sonnig und heiter gewesen.
    „Nun, wie gesagt, mir ging es jämmerlich. Mehrmals habe ich versucht wegzulaufen, aber ich wurde jedes Mal zurückgebracht.“ Er schnitt eine Grimasse. „Um einen Mann aus mir zu machen.“ Er schüttelte den Kopf, wie um die Erinnerungen zu vertreiben. „Egal, das Ärgern hörte auf, als Bastian Reyne eintraf. Er war selbst so etwas wie ein Außenseiter, aber er war damals schon groß, und er wusste, wie man seine Fäuste benutzt. Und er benutzte sie für mich und zeigte mir, wie ich meine benutzen musste. So etwas führt zu einer festen Freundschaft.“ „Und wie ist er dann in der Fabrik gelandet?“
    Giles Bemerton machte ein betrübtes Gesicht. „Um es kurz zu machen, sein Vater hat sich einer Reihe unehrenhafter Taten schuldig gemacht, weswegen er von seiner Familie und der Gesellschaft verstoßen wurde. Sebastian verschwand

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