Ein magischer Walzer
Lied nicht mehr gehört, seit unsere Mutter es dir vorgesungen hat, Cassie, damit du einschläfst. Du warst noch ganz klein, das war, bevor Dorie auf die Welt kam. Mama sang es dir immer wieder vor, bis zu dem Tag, an dem Dorie geboren wurde. “
Schweigen breitete sich aus. Cassie und Dorie starrten einander bestürzt an. Dann wandte sich Cassie wütend an ihn: „Was meinst du mit ,unsere Mutter“? Du kanntest uns damals doch gar nicht.“
Sebastian runzelte verwirrt die Stirn. „Natürlich kannte ich euch. Ich war da, als ihr geboren wurdet.“ Er schaute von einer zur anderen. „Ich war da, als ihr auf die Welt kamt.“
Wieder herrschte Schweigen. Er war sich bewusst, dass die Merridew-Schwestern sich Blicke zuwarfen, aber er war von Cassies Erwiderung zu überrascht, um sich daran zu stören.
Aus schmalen Augen musterte Cassie ihn. „Willst du damit sagen, dass du unser wirklicher, echter Bruder bist?“
Ihr Ton war so misstrauisch, dass Sebastian sie verwirrt ansah. „Ja, natürlich. Aber das wisst ihr doch schon.“
„Das hast du gesagt, aber die Leute erzählen uns die ganze Zeit, dass sie unsere Onkel, Väter oder Tanten sind.“ Die letzten Worte spie sie fast aus. „Du willst uns also weismachen, dass wir dieselbe Mutter haben?“
Sebastian war entsetzt, aber plötzlich ergab eine Reihe von Sachen Sinn. Die Zurückhaltung der Mädchen, über die Vergangenheit zu sprechen, Cassies Feindseligkeit, Dories mangelndes Vertrauen. Wenn sie von einem „Verwandten“ zum nächsten weitergereicht worden waren, dann war es kein Wunder, dass sie ihm nicht geglaubt hatten. Er blickte zu Miss Hope. Das hier war eine Familienangelegenheit. Er sollte die Merridews nicht in Verlegenheit bringen, indem er solch intime Sachen diskutierte. Gerade wollte er Cassie sagen, dass sie nachher weiterreden würden, da drückte Miss Hope seinen Arm.
„Sie brauchen die Sicherheit jetzt“, flüsterte sie. „Machen Sie sich unseretwegen keine Sorgen. Erzählen Sie ihnen, was sie wissen müssen, Mr. Reyne.“ Sie nickte und lächelte ihm ermutigend zu.
Er schaute sie an, dann zu Cassie und erklärte: „Ja, wir drei haben dieselbe Mutter. Und denselben Vater. Du und Dorie, ihr seid meine echten Schwestern. Dorie und ich haben die gleichen grauen Augen - Papas Augen.“
Cassie sah prüfend von seinem Gesicht zu Dories und wieder zurück.
Er fuhr fort: „Und obwohl Dorie mehr von Mutter hat - Mama war eine Schönheit, als sie jung war -, hast du ihre schönen blauen Augen und ihre hübsche Singstimme. Aber leider, Cassie, haben du und ich Papas Nase, wenn deine auch zierlicher und hübscher als meine ist.“
Cassie berührte ihre kleine, gerade Nase, dann betrachtete sie seine größere, ebenso gerade Nase mit dem Höcker, der von dem Bruch bei einem Faustkampf zurückgeblieben war. Schließlich fragte sie: „Wer war Mam? Und wie kam es, dass du uns verloren hast?“
Er zögerte. Miss Hope schritt ein, schien seine Gedanken zu lesen. „Warum setzen Sie sich nicht einfach mit Ihren Schwestern hier ans Feuer? Wenn es Ihnen lieber ist, Mr. Reyne, können wir auch gehen, damit Sie ungestört reden können.“
Dankbar schaute er sie an. Er hatte den Mädchen nicht die ganze Geschichte erzählt - hauptsächlich weil sie es von Anfang an klargemacht hatten, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollten. Und er wollte nicht über sein größtes Versagen vor allen sprechen, besonders nicht vor ihr. Doch Cassie sagte: „Nein, bleiben Sie. Sie sind unsere Freunde, und ich möchte, dass Sie es auch hören.“ Sie schaute Sebastian an und meinte herausfordernd: „Ich werde es Grace sowieso sagen, und sie erzählt es dann ihren Schwestern. “
Er schaute zu Miss Hope. „Ich muss Sie warnen, es ist keine hübsche Geschichte.“
Hope legte ihm die Hand auf den Arm und sagte: „Es ist in Ordnung. Wir werden es vertraulich behandeln, nicht wahr?“ Ihre Schwestern nickten, und Sebastian spürte, wie sich ein Klumpen in seiner Kehle bildete. „Außerdem“, fuhr sie fort, „ist unsere Geschichte auch nicht unbedingt eine schöne Gutenachtgeschichte.“
Er gab nach. „Nun gut. Setzen wir uns.“ Er nahm auf einem weich gepolsterten Lehnstuhl Platz, und seine beiden Schwestern ließen sich zusammen ihm gegenüber auf einem ebensolchen nieder. Die Merridews setzten sich auf das Sofa und warteten. Sebastian wusste nicht, wo er anfangen sollte. Dann erinnerte er sich an Cassies Frage. „Du hast gefragt, wer die Frau war, die
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