Ein Mann ein Mord
beschied sie: »Nein«.
Ihre Hand langte nach der Kuchengabel.
»Wie Sie meinen. Wenn Sie dann bitte Sri Dao Rakdees Akte holen würden, um einzutragen, daß…«, ich trat zum Schreibtisch und las ihr Namensschild, »… Frau Steiner eine Verlängerung des Visums abgelehnt hat - damit ich meinen Anwalt informieren kann.«
Sie ließ die Gabel sinken. Einen Augenblick kaute sie unentschieden. Dann stieß sie sich von der Tischkante ab und stand auf. »Mit Vergnügen.«
Als sie das Büro verlassen hatte, trat ich ans Fenster und steckte mir ziemlich zufrieden eine Zigarette an. Damit, glaubte ich, würde der Fall erledigt sein. Ob Sri Dao Rakdees erster deutscher Mann nun Zuhälter war, wie Charly behauptete, oder einer der Kerle, die sich Frauen per Katalog bestellen, in der Akte mußte sein Name stehen; und Frau Steiner würde die Gelegenheit kaum auslassen, ihn mir lauthals um die Ohren zu schlagen, um mich als Lügner und Verbrecher zum Teufel zu jagen.
Für eine zweimalige Visumsverlängerung um drei Monate gab es keine andere Erklärung, und alles paßte zusammen: Sri Dao, die nach Weidenbuschs Worten am VW-Bus ›this is my man‹ schrie, sich aber nicht, wie Weidenbusch in seiner Eitelkeit glaubte, für ihn ins Feuer werfen wollte, sondern tatsächlich ihren ›man‹ meinte. Den, der sie nach Deutschland geholt und ihr und dem Amt die Heirat versprochen hatte, der ihrer irgendwann überdrüssig geworden war, und der sie dann ans LADY BUMP verkauft hatte. Er wußte, wann das Visum ablief und was Bordellwirte für Sri Dao zu zahlen bereit waren. Heute hatte er sie, samt dreitausend Mark, wieder geholt, um sie ein zweites Mal zu verkaufen.
Für Sri Daos Reaktion auf Weidenbuschs Heiratsantrag konnte es somit mehrere Gründe geben. Erstens, die Erinnerungen an den anderen Kerl waren so, daß ihr schon beim Wort Heirat übel wurde. Zweitens, sie wollte, selbst auf die Gefahr hin, abreisen zu müssen, Weidenbusch diese Geschichte verheimlichen. Oder drittens, sie vermutete, das Ausländeramt würde für einen Wechsel der Heiratskandidaten wenig Verständnis aufbringen und jeden weiteren Versuch zur Aufenthaltsverlängerung unterbinden.
Alles in allem mußte ich mit dem Namen des Kerls nur noch ins Telefonbuch schauen, um Weidenbusch spätestens heute abend Sri Dao wiederzubringen.
Fünf Minuten später kam Frau Steiner an der Seite eines Kollegen zurück. Sie warf die Tür zu und wies mit dem Kinn auf mich: »Da!«
Der Kollege war um die vierzig, trug die wenigen Haare quer über den Schädel gepappt und steckte in einer hellblauen Kurzjacken-Kombination mit Unmengen goldener Reißverschlüsse. Er musterte mich abschätzend. Dann schob er die Daumen hinter den Gürtel, ruckte die Hose auf Taille, räusperte sich und trat auf mich zu. Seine feiste Visage schob sich bis auf einen Meter heran. Er bleckte die Zähne, und wie ein MG-Stoß krachten die Worte: »Name, Kanacke!«
Anscheinend war er hier zuständig fürs Feine. Ich nahm die Zigarette aus dem Mund und betrachtete einen Augenblick die Glut. Sein Bieratem schlug mir ins Gesicht. Ich sah auf und sagte leise: »Noch ein Wort, Bulle, und ich schlag dich zusammen, daß du nie mehr stehen, nie mehr sitzen und nie mehr ficken kannst!«
Während Frau Steiner einen Aufschrei unterdrückte, schien meine Drohung beim Kollegen die erhoffte Wirkung zu haben. Er gab keinen Mucks von sich. Es sah allerdings nicht danach aus, als würde dieser Zustand lange anhalten. Schnell setzte ich nach, »Wo ist die Akte?«, und ebenso schnell ertönte die Antwort aus sicherer Entfernung: »Es gibt keine Akte Rakdee.« Frau Steiner hatte eine Hand auf der Türklinke, die andere in der Nähe einer Vase. Ich sah scharf zwischen den beiden hin und her.
»Wenn Sie lügen…«
»Aber hören Sie…!« Trotz ihrer offensichtlichen Furcht, die Auseinandersetzung könnte handfeste Formen annehmen, schaute Frau Steiner einen Moment empört. »… ich bin Beamtin.«
In einer anderen Situation hätte ich wahrscheinlich gegrinst, statt dessen versuchte ich jetzt, mich vorsichtig der Tür zu nähern. Jeden Augenblick drohten dem Kollegen die Gäule durchzugehen, und ich war nicht in der Stimmung, etwas einzustecken. Auf der anderen Seite hatte ich Besseres zu tun, als wegen Körperverletzung ins Kittchen zu wandern.
»Na also, mehr wollte ich nicht wissen… das Halali hätten Sie sich sparen können. Und was meinen Namen betrifft, der steht da im Block. Lesen Sie ihn sich gut durch.
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