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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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Falls wir uns wieder mal begegnen, rate ich zur korrekten Anrede…«
    Dem Kollegen schienen Kopf und Schultern zu platzen. Er stand jetzt leicht vorgebeugt, die Arme wie ein Ringer angewinkelt, bereit zum Sprung. Während Frau Steiner zurückwich, legte ich die Hand auf die Klinke und tippte mir an die Stirn, »Schönen Dank.«
    Ich zog die Tür hinter mir zu, stieg über den immer noch kämpfenden Polenjungen und lief zur Treppe. Bis zum ersten Absatz passierte nichts, dann brüllte es hinter mir, und ich rannte los. Am Ausgang kam mir ein Uniformierter entgegen.
    »He, he, nich so hastig!«
    »Bin gleich wieder da. Mein Wagen steht im Halteverbot…«
    Ehe er reagieren konnte, war ich aus der Tür und lief zum Opel. Kurz darauf stürzte der Kollege, gefolgt vom Uniformierten, auf die Straße. Ich rutschte tief in den Sitz und wartete, bis sie die Suche aufgaben und zurücktrotteten. Dann ließ ich den Motor an.
    An der erstbesten Imbiß-Bude kaufte ich einen Pappbecher Kaffee und Schokoladenriegel und setzte mich damit zurück ins Auto. Meine Theorie war also im Eimer. Die Stempel in Sri Dao Rakdees Paß waren gefälscht - von Charly oder sonstwem -, sie hielt sich seit mindestens sechs Monaten illegal im Land auf, und was ihren ehemaligen Kerl betraf, hatte ich dafür nur die Aussage eines durchgedrehten Zuhälters. In ihrer Situation waren falsche Papiere oder wenigstens ein neuer gefälschter Stempel tatsächlich der einzige Ausweg gewesen. Übrig blieb ›Herr Larsson‹, der Schnurrbart trug und einen VW-Bus fuhr. Dafür, woher er die Daten von Sri Daos Visum erfahren haben konnte, gab es im Grunde hundert Möglichkeiten - vielleicht schrieb er in seiner Freizeit Gedichte und gehörte zu Weidenbuschs Bekanntenkreis.
    Ich trank den Kaffee und beschloß, zum Hausener Asylantenheim zu fahren.

4
    Ein Schotterplatz von der Größe zweier Fußballfelder zog sich die Straße entlang bis zu den Hallen eines Sägewerks. In regelmäßigen Abständen standen metallfarbene, vier mal zehn Meter große und knapp drei Meter hohe Container in drei Reihen zu je zwanzig Stück. Auf den Mittelwegen wuchsen mächtige Straßenlaternen aus dem Schotter. Jeder Container besaß eine Tür-  und eine Fensteröffnung; dazu außen einen Wasserhahn und eine Wäscheleine. Auf manche Dächer schienen die Bewohner Teile kaputter Fahrräder gehäuft zu haben, die sich bei näherem Hinsehen als selbstgebastelte Fernsehantennen entpuppten. Zwischen den Containern spielten Kinder, Männer hockten auf Klappstühlen. Der Platz war umzäunt mit meterhohem Maschendraht, und über allem lag das pausenlose Kreischen der Sägen. Smog fürs Gehör.
    Ich lief den Zaun entlang zur Einfahrt, die ein rotweißer Schlagbaum markierte. Daneben das Verwaltungsgebäude, ein zweistöckiges Fertigteil mit aufgemaltem Fachwerk, hinter Stiefmütterchenbeet und Gartenzwerg - als wollte man den Flüchtlingen beim täglichen Postverteilen jene deutsche Vorgartenidylle vorführen, die man gegen ihre ›Schwemme‹ zu verteidigen gedachte. Über einen frisch verlegten Plattenweg ›natur‹ gelangte ich ins Haus und vor die Theke einer An-  und Abmeldestube. Bis auf zwei Goldfische im Glas war die Stube leer. Neben der Theke hing eine Schnur vor einem Schild BITTE KLINGELN, dazu die unbedarfte Zeichnung eines Strichmännchens, das an der Schnur zog, worauf Noten durch die Luft flogen und ein weiteres Strichmännchen lächelnd ins Bild trat.
    Ich klingelte und steckte mir eine Zigarette an. Durchs Fenster sah man drei Halbwüchsige mit einem Kassettenrecorder zum Ausgang schlendern.
    »Kannst du nicht sehen? Rauchen verboten!«
    Ich drehte mich um und wäre fast durch die Scheibe gekippt. Statt des üblichen Pförtners mit durchgesessener Uniform und Fernsehglupschern, stand Miss Krankenhaus vor mir. Sie hatte ein schmales, gekonnt geschminktes Gesicht, riesige braune Augen, und ihre blonden Haare waren flüchtig hochgesteckt, als wolle sie gerade unter die Dusche. Über alle möglichen Luxusmaße bis hin zum Busen spannte sich ein kantig gebügelter Nylonkittel mit Rotkreuz-Aufnäher. An ihr hätten wahrscheinlich sogar Clogs erotisch gewirkt.
    Ich nahm die Zigarette aus dem Mund und gab mir Mühe, nicht in den Ausschnitt zu glotzen.
    »Normalerweise reagiere ich da empfindlich, aber wenn Sie drauf bestehen…«, ich grinste, »… können wir uns ruhig duzen.«
    Einen Augenblick schaute sie überrascht. Dann bemerkte sie kühl: »Tut mir leid, ich habe Sie mit einem

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