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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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der Heimbewohner verwechselt.«
    »Sind Sie hier die Leiterin?«
    »Ich bin die diensthabende Schwester. Herr Schäfer ist nicht da.«
    »Donnerwetter, wenn ich Sie mit den Schwestern von meiner Blinddarmoperation vergleiche…«
    »Darum hat Sie niemand gebeten. Ihre Zigarette!«
    »Ach, ja.« Ich ging zur Tür und schnippte die Kippe aus Versehen ins Stiefmütterchenbeet. Hinter mir hörte ich scharfes Einatmen. Meinem Ziel, von ihr etwas zu erfahren, schien ich mich nicht gerade zu nähern. Ich achtete darauf, die Tür zu schließen, ohne daß die Scheibe rausfiel oder die Klinke abbrach.
    »… vor zwei Tagen sind hier drei Männer verschwunden. Ich wollte mich erkundigen, ob sie vorher irgendwelche ungewöhnlichen Besuche oder Anrufe hatten?«
    »Sind Sie von der Polizei?«
    »Privatdetektiv Kayankaya.«
    Sie hob die Augenbrauen. »Privatdetektiv?«
    »Sie wissen doch, diese baumlangen Kerle mit den breiten Schultern und ’nem Kinn wie’n Pistolenknauf.«
    Ihr Blick verharrte verständnislos. Dann sah sie an mir herunter, und ich hatte es geschafft, sie zum Lächeln zu bringen.
    »Ach, die.«
    Ich nickte. »Also, war was mit den Männern?«
    »Sie müssen mit Herrn Schäfer sprechen. Ich darf keine Auskünfte geben.«
    »Und wann kommt der wieder?«
    »Nächste Woche.«
    »Nächste Woche…?« Wir hatten Dienstag. Ich sah aus dem Fenster. Zwei Frauen mit Kopftüchern schleppten einen Bottich Wäsche über den Platz. »Da werde ich mich wohl im Lager umhören müssen.«
    »Im Heim. Und im übrigen werden Sie das nicht. Für Fremde ist der Aufenthalt auf dem Heimgelände verboten. Es sei denn, Sie besuchten jemand Bestimmtes.«
    »… na, dann besuche ich eben jemand Bestimmtes.« Unbeeindruckt trat sie hinter die Theke und holte Block und Stift hervor, wobei ihr eine blonde Strähne ins Gesicht fiel. Sie wischte sie hinters Ohr zurück mit einer Bewegung, als würde sie beim nächsten Mal abgeschnitten.
    »Name und Unterkunftsnummer?«
    Ich betrachtete die Goldfische. Wahrscheinlich hätte ich besser daran getan, mich mit ihnen zu begnügen.
    »Hören Sie mal, Schwester, was Sie so machen, das ist sicher alles sehr anständig, aber zufällig geht es um ein Verbrechen, und ich kann weder eine Woche warten noch mit Ihnen Quiz spielen. Also, wenn Sie nicht wollen, daß ich in Ihr Heim gehe, dann beantworten Sie meine Fragen. Niemand erfährt davon, und ich vergesse, daß ich Sie je gesehen habe.«
    Pause. Sie ließ den Stift sinken und schaute auf. Dann hob sie die Augenbrauen, »… ach, ja?«, und lächelte zum zweiten Mal.
    Wenig später zwängte ich mich mit der Gewißheit, einer Bande Fälscher auf der Spur zu sein, am rotweißen Schlagbaum vorbei auf die Straße. Die drei Männer waren Freitag von der Ablehnung ihres Asylantrags mit Weisung zur sofortigen Ausreise unterrichtet worden, Samstag hatte Miss Krankenhaus einen Anruf von Herrn Larsson entgegengenommen und weitergeleitet, und Sonntag war der Heimtresor aufgebrochen gewesen und das Trio verschwunden. Zu einem Tausch der Telefonnummern war es nicht gekommen - oder jedenfalls nur einseitig und ziemlich erfolglos. Sie hatte meine Karte in einen Kasten mit der Aufschrift ›Anträge Elektro-Geräte: Fernseher, Waschmaschinen etc.‹ geworfen.
    Mir die Ohren gegen das Sägekreischen zuhaltend, lief ich zum Opel. Zwei Kinder drückten ihre Gesichter in den Maschendraht und verfolgten stumm, wie ich einstieg und davonfuhr.

5
    Zum zweiten Mal an diesem Mittag betrat ich das braune Gebäude der Ausländerpolizei. Auf einigen Ärger gefaßt, ging ich auf den Uniformierten zu, der am Eingang die Ausweise kontrollierte. Aber anscheinend hatte es einen Wachwechsel gegeben; jedenfalls war er nicht der, der mir auf die Straße gefolgt war. Bis auf den üblich mißtrauischen Oben-Unten-Oben-LinkeSeite-RechteSeite-TiefindieAugenNajawollnmagnädigsein-Blick, ließ er mich unbehelligt passieren. Ich stieg, die überfüllten Flure der Antragbüros hinter mir lassend, die Treppe hinauf zum Kommissariat. Ein leerer Gang. Die Schritte hallten. ›Referat Aufenthaltsdelikte - Kommissar Höttges, Inspektor Klaase‹ stand auf dem Schild neben der Tür. Ich klopfte.
    »Bitte!«
    Wieder Preßspanmöbel, darin zwei Männer. Einer Mitte dreißig, mit Schnurrbart und Rollkragen, der andere, zwanzig Jahre älter, mit grauem Haar und Schlips. Sie saßen sich an ihren Schreibtischen gegenüber, und der erste Eindruck war, sie säßen hier seit ihrer Geburt und warteten darauf, daß

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