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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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erste, der reinkam, war knapp einssechzig groß, dünn wie ein Brett und ebenso steif. Die Uniform saß ihm wie eine zweite Haut. Von Oberlippe bis Kinn zog sich ein gepflegtes braunes Bartoval, ansonsten war er glatt rasiert und strömte einen dieser Herrendüfte aus, die die Luft nach Seife schmecken lassen. Breitbeinig stand er im Türrahmen, in der rechten Hand eine Pistole, in der linken ein Funkgerät. Wenn er sprach, konnte man meinen, er kaue Eiswürfel. »Aufstehen, zack, zack, in eine Reihe stellen - Ausweiskontrolle!« Zwei Uniformierte mit MPs postierten sich links und rechts von der Tür. Ich gehörte zu denen, die sitzen blieben.
    »Ich habe gesagt, zack, zack!«
    »Guten Tag und Ihre Dienstnummer bitte, sonst merke ich gar nicht, daß Sie da sind.«
    Die MPs taten einen schnellen Schwenk auf meine Brust. Die Gesichter darüber, keine zwanzig und picklig, schauten drein, als müßten sie mindestens die Welt retten und hätten einen Haufen Angst davor. Die Finger am Abzug fuhren nervös hin und her.
    »… und sagen Sie Ihren Jungs, sie sollen die Knarren wegnehmen. Die drücken noch aus Versehen ab.«
    Die Augen des Kommandierenden nahmen mich wie sezierend unter die Lupe, dann gab sein Kinn die Richtung an, und die Kollegen spurteten los. In Nullkommanix hatten sie mich von der Bank hochgerissen, in ihre Mitte genommen und abgetastet. Wie die Beretta war auch meine Brieftasche verschwunden. In der Brieftasche steckte mein Ausweis. Mit kurzen abgehackten Schritten kam der Kommandierende auf mich zu und postierte sich so, daß ich seinen Atem spürte. Er roch nach Minze. Old Spice und Minze. Es zog einem die Schuhe aus.
    »Ihren Ausweis.«
    »Ihre Dienstnummer.«
    »Einseinszweiachteinsacht - Inspektor Hagebrecht. Ihren Ausweis.«
    »Wurde mir gestohlen.«
    »Verhaften.«
    »Moment mal…« Ich stemmte mich dagegen. Es fehlte nicht viel, und sie hätten mir die Arme gebrochen. »… ich bin deutscher Staatsbürger.«
    Ein dünnes Lächeln umspielte seine Lippen.
    »So sehen Sie aus - abführen.«
    »Wenn das Ihr Chef erfährt, macht er Sie ’n Kopf kürzer, dann sind Sie etwa einsvierzig… aua! Ich wette, Sie sollen die Sache hier so diskret wie möglich schaukeln. Üben Sie schon mal, ihm beizubringen, daß Kemal Kayankaya unter die Flüchtlinge geraten ist…«
    Minuten später - ein Beamter neben mir - saß ich in Handschellen im Bus und verfolgte durch vergitterte Scheiben, wie einer nach dem anderen aus dem Bunker eskortiert wurde. Manche konnten nur durch Schläge bewegt werden, andere wurden getragen, viele weinten. Die Kinder kamen zuletzt. Man schleifte sie von der Mutter getrennt in einen PKW. Sie schrien. Ihre Murmeln fielen zu Boden und blieben blinkend im Schlamm liegen. Ich wandte mich an meinen Bewacher.
    »Wer hat Sie hergeschickt?«
    Blick und Kinn starr geradeaus, die Mütze tief in die Stirn gezogen, murmelte er »Dienstgeheimnis«.
    »Kommt es Ihnen nicht komisch vor, daß Ihr Einsatzleiter ’n Schlüssel zum Bunker hat?«
    »Liegt nicht in meinem Aufgabenbereich, das komisch zu finden.«
    Nachdem Hagebrecht die Bunkertür verriegelt und den Befehl zum Abmarsch gegeben hatte, setzte sich die Kolonne in Bewegung. Wir fuhren den Waldweg zum Gellersheimer Sportplatz hinauf - ich sah meinen Opel und im Rückfenster den immer noch schlafenden Partyengel -, kamen nach Gellersheim und wenig später auf die Autobahn. Der Fahrer stellte das Radio an, und die Beamten wiegten die Köpfe zu bayrischer Blasmusik. Es regnete. Am Frankfurter Kreuz bogen wir Richtung Flughafen ab.

12
    »… und heute wollte ich mit nach Mannheim. Hab dieses Jahr noch kein Spiel verpaßt, keine Minute. Sogar in Dortmund war ich bis zum Ende dabei. Und was für ’n Ende. Sechs Dinger haben wir kassiert - sechs! Das muß man sich mal vorstellen … eigentlich hatte ich danach die Nase voll, aber dann … ich meine, man kann die Jungs doch in so ’ner Situation nicht im Stich lassen. Also bin ich weiter hingegangen, jeden Samstag, und jetzt sind wir aus ’m Schlimmsten raus. Mit Bein und Falkenmayer schaffen wir’s nächstes Jahr vielleicht sogar in ’n UEFA-Cup, oder wir holen den Pokal, und dann sind wir international wieder drin, und dann …«
    Er brach ab und betrachtete die Gitterstäbe. Dahinter lag ein leerer, grüngestrichener Flur mit drei gelben Lampen. Die Schatten der Stäbe teilten unsere Zelle in schmale Bahnen. Wieder keine Fenster. An der Wand klebte ein Wasserhahn, daneben eine schmutzige

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