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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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Betonwand mit grauer Stahltür, dahinter ein mit Sträuchern bewachsener Hügel. Seit zehn Minuten hatte sich nichts gerührt.
    Ich kauerte, den Kragen hochgeschlagen, hinter einem Baum, die Beretta im Schoß und ärgerte mich, die falschen Schuhe angezogen zu haben. Meine Füße fühlten sich an wie tote Fische. Nach weiteren zehn Minuten hatte ich genug. Vorsichtig, die Kanone im Anschlag, lief ich von Baum zu Baum, bis ich auf dem Trittbrett des Japaners stand.
    Überquellende Aschenbecher, Dutzende von Musikkassetten, zwei leere Bacardi-Flaschen, Box-  und MotorsportZeitschriften, ein Maulkorb und eine Kiste Hundefutter. Am Rückspiegel hingen eine Plastikgitarre und ein rosa Stoffherz. Auf einem der Seitenfenster klebte AFRI-COLA BIS ZUR ODER. Plötzlich öffnete sich die Stahltür, und ein weißes, schweinsgesichtiges Tier schlüpfte ins Freie. Ich warf mich unter den Wagen, aber es hatte mich schon wahrgenommen. Auf kurzen, krummen Beinen kam es angewatschelt, blieb vor mir stehen und betrachtete mich wie gelangweilt aus blutunterlaufenen Schlitzen. Es knurrte nicht, schien nicht einmal zu atmen, stand einfach nur da und glotzte. Schwere Schritte näherten sich, und eine krachende Stimme kommandierte: »Rambo, komm!« Aber Rambo kam nicht. Rambo behielt mich im Auge und gähnte. Dabei klappte der Kopf in zwei Teile, und eine Armee von kleinen weißen Zähnen blitzte in ihm wie Messerspitzen.
    »Rambo!« Die Schritte entfernten sich. Rambo blieb, wo er war. In Zeitlupe versuchte ich, die Beretta auf seine Höhe zu hieven. Mein Herz raste. Rambo verfolgte die Bewegung ohne jegliches Interesse.
    »Jetzt komm schon.« Nach dem Motto ›Na los, sei ein braver Rambo, geh zu Herrchen‹ versuchte ich ihm zuzulächeln und entsicherte das Schießeisen. Unsere Augen maßen sich. Seine Ohren zuckten, und als ich abdrücken wollte, schnappte er zu. Er biß nicht, er schnappte. Wie eine Wolfsfalle - einmal. Und genauso hielt er fest. Der Schuß ging ins Leere. Ich lag schreiend am Boden, den Arm in seinem Maul. Die Zähne hatten sich durch sämtliche Ärmel hindurch direkt ins Fleisch gestoßen. Immerhin, er biß mir den Arm nicht ab. Ruhig, ohne sich sonderlich anzustrengen, stand er über mir. Ein Hund, der zerfleischte, wie andere Hunde in der Sonne dösen. Hinter mir knackten Äste. Verrückt vor Schmerzen brüllte ich: »Nehmen Sie Ihren verdammten Köter weg!« und wollte dem Scheißkerl ins Gesicht sehen, aber Rambo ließ mich nicht. Wer auch immer er war, ich haßte ihn. Ihn noch mehr als seinen Bullterrier. Ein Luftzug, mein Schädel explodierte, und ich sauste ins Leere.
    »Aufwachen, mein Freund. Aufwachen…«
    Eine warme glatte Hand fuhr mir über die Stirn. Ich blinzelte. Erst sah ich gar nichts, dann nur Beton. Betondecke, Betonwände, und auch mein Kopf schien voll Beton. An den Wänden ringsum hingen Neonröhren und warfen stechendes Licht. Mir fiel der Generator ein. Der Raum maß an die sechs mal zwanzig Meter, keine Fenster, keine Heizung, kein Sonstwas. Links und rechts die Wände entlang saßen etwa dreißig Menschen auf groben Holzbänken und richteten fragende Blicke auf mich. Dazwischen spielten drei Kinder Murmeln. Ab und zu ein Klicken der Kugeln und kurzes Getuschel, sonst herrschte Stille.
    Wieder berührte mich die Hand. Ich quälte meinen Kopf ein Stück herum und sah in das faltige Gesicht eines schwarzen Mannes, der mich im Schoß hielt und leise wiederholte »Aufwachen«. Seine Stimme hatte die beruhigende Tonlage von altgewordenen Rauchern. Während ich mir alle Mühe gab, ihm den Gefallen zu tun, flüsterte eine Frau in rotem Glitzerkostüm irgendwas auf Arabisch, und ein Dicker neben ihr nickte. Wahrscheinlich stand für sie fest, daß ich ihnen keine große Hilfe sein würde.
    Endlich saß ich. Die Augen geschlossen klemmte ich mir eine Zigarette zwischen die Lippen. Mein Hinterkopf fühlte sich merkwürdig an, wenn man drückte, sabberte rote Flüssigkeit. Der schwarze Mann gab mir lächelnd Feuer. Er mußte um die Siebzig sein, hatte kurzes graues Kraushaar und steckte in einem dunkelblauen Anzug. Taschentuch in der Brusttasche, Krawatte, Lackschuhe und ein Hauch von teurem Parfum. Neben einem wie mir - blutverschmiert und lehmverkrustet, der rechte Ärmel zerfetzt - sah er aus wie einer der Stinkreichen, die sich einen Spaß daraus machen, von Zeit zu Zeit unterm Volk eine Bockwurst aus der Hand zu vertilgen. Ich rauchte und betrachtete die Folgen von Rambos Kampf gegen den

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