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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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man es mutig nennen, in jedem Fall war es ungesund, und Abdallah murmelte »Vollidiot«. Der Kurde ließ die Finger knacken und lockerte die Schultern, und jeder im Raum erkannte für sich, daß es kaum Freude machen konnte, dazwischenzugehen. Gerade, als er zum zweiten Wurf ansetzte, wurde eine Tür aufgestoßen, und fünf Bullen kamen den Flur entlangmarschiert. Drei Männer, eine Frau, ein Hund. Augenblicklich wurde es still. Türke und Kurde verzogen sich in die Ecke. Die fünf blieben vor unserem Gitter stehen, und die Frau zog einen Zettel aus der Brusttasche.
    »Chatem, Abdallah.«
    Abdallahs braunes Gesicht wurde gelb wie Käse, und ich hörte seinen Atem nicht mehr. Nachdem die Frau den Zettel weggesteckt hatte, schloß sie die Tür auf. Männer und Hund traten ein. Ich bedeutete Abdallah, sitzen zu bleiben und den Mund zu halten.
    »Vortreten.« Ich stand auf.
    »Mitkommen.«
    »Wohin?«
    »Sie fliegen in einer Stunde«, erklärte die Frau vom Flur aus. »Wir haben Ihnen heute mittag versehentlich einen falschen Abreisetermin genannt.«
    Männer und Hund nahmen mich in die Mitte, und gemeinsam verließen wir die Zelle. Hinter mir setzte Gemurmel ein, einige fluchten leise. Plötzlich schmetterte eine Stimme »Allah yardimcin olsun!« Die Tür flog zu, und ein anderer knurrte: »Mit den Polizisten isser, dein Allah.« Das letzte, was ich von den Flüchtlingen sah, war der alte Mann in Lackschuhen, der sich die Krawatte lockerte.
    Sie hatte den züchtigen Knoten, die schmucklosen Hände, die barmherzige Stimme und das schmallippige bleiche Gesicht einer Nonne, dazu den lauernden Blick einer Frauenbewegten in Männergesellschaft. Die frisch gebügelte Uniform stand ihr wie ein Pappkarton. An ihren Füßen knatschten braune Allwetterstiefel, und zwischen dem Busen schlenkerte eine Kette mit hellblauen Steinen. Wenn sie überlegte, spielte sie damit. Seit zehn Minuten saß ich mit verschränkten Armen - zwei Bullen hinter mir - auf einem Holzschemel und beobachtete, wie sie Abdallahs Paß in Eisenschränken, Schreibtischschubladen und Aktenordnern suchte. Kein Ton war gefallen. An der Wand gegenüber hing ein Kalender vom Bundesgrenzschutz - ein Hubschrauber bei Sonnenuntergang.
    Ich sah auf die Uhr. Wenn sie nicht gelogen hatte, startete Abdallahs Flugzeug in vierzig Minuten. Damit er nicht mitflog, galt es also noch etwa dreißig abzusitzen. Außerdem durfte der Paß nicht auftauchen. Am besten, sie käme gar nicht zum Suchen. Ich sorgte dafür.
    »Darf ich mal auf die Toilette?«
    »Nein.«
    »Soll ich mir in ’n Schuh pinkeln?«
    Ein Waschlappen landete auf meiner Schulter.
    »Ganz ruhig bleiben, Kollege.«
    »Haben Sie gehört, Schwester? Er hat Kollege gesagt. Das is üble Nachrede. Sagen Sie dem Kerl…«
    »Bitte, Herr Chatem…« Ihr Tonfall erinnerte an die Sorte Vollkorn-Pädagogen, die einen Schüler in Grund und Boden und anschließend von der Schule lächeln konnten. Die Stimme klang sanft und voller Verständnis, und sie bewegte die Arme, als wollte sie mich an die Brust drücken. Alles an ihr gab vor, weich und warm zu sein, nur die Augen glänzten hart und kalt wie Stahl. »… wenn Sie sich einen Augenblick gedulden könnten.«
    Obwohl es nicht als Frage gemeint war, wartete sie auf Antwort. Ich senkte den Kopf. »Tut mir leid, Frau Kommissarin, ich bin ein bißchen nervös… Was werden meine siebenundzwanzig Frauen sagen, daß ich mich so lange nicht gemeldet habe? Und die Großväter und die Mutter, Allah, meine Mutter! Sie wird mich wieder zu den Schafen sperren, wie damals, als ich meinen Bruder Hassan mit der Handgranate spielen ließ…«
    »Herr Chatem!«
    Sie schlug die flache Hand auf den Tisch und machte ein strenges Gesicht. Dann knatschte sie an mir vorbei und ging vor einem Schrank in die Hocke. Durch die Uniformhose zeichneten sich die Umrisse eines gerippten Schlüpfers ab. Ich lehnte mich nach hinten und raunte »Trägt ganz schön heiße Höschen, euer Boß.«
    Bevor einer der Brüder reagierte, drehte sie sich in der Hocke um und zischte »Wie bitte?«
    »Ich hab gesagt, Sie wärn ’ne klasse Ficksau und ob wir’s nicht zu viert versuchen sollten. Bißchen Zeit bleibt ja noch.«
    Ihr Blick fror sich in meine Stirn. Langsam stand sie auf und ging auf mich zu. Die linke Hand spielte mit der Kette.
    »Eine bitte was?«
    »Ficksau, von ficken, ficken wie bumsen…«, ich wandte mich bekloppt grinsend zu meinen Bewachern links und rechts und jubelte, »… bumsen, bumsen,

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