Ein Mann, eine Frau, ein Missverständnis: Was Sie schon immer über Sex wissen wollten (German Edition)
Gesehen hat sie noch keiner.
ER: Der Mann von heute hat Mühe, seine kleinen, übriggebliebenen, ganz privaten Räumchen zu verteidigen: Er möchte im Badezimmer (> Klo, > Duschen, beim > Rasieren, beim > Masturbieren) gern allein sein, sprich, da platzt man nicht einfach rein oder trommelt ungeduldig gegen die Tür.
Er möchte in Ruhe den Sportteil seiner jeweiligen Tageszeitung lesen, ohne Antworten auf heuchlerische Fragen (»Trägt David Beckham eigentlich auch während des Spiels die Unterwäsche seiner Frau?«) abgeben zu müssen, mit denen Frauen nerven, bloß weil sie es nicht ertragen, dass seine Aufmerksamkeit nicht ausschließlich ihr gilt. Er hat ein bestimmtes System in seiner CD-Sammlung, die niemanden was angeht, er hält Ordnung in seiner Werkzeugkiste, und wenn sie unmotiviert darin rumfummelt, möchte er gefälligst gefragt werden, wofür sie etwas braucht und wann sie es zurückbringt.
Es wäre schön, wenn wenigstens irgendwas davon respektiert werden könnte und Frauen gelegentlich zeigen würden, dass ihre pausenlos herausposaunte, erst mal nur behauptete Sensibilität tatsächlich auch praktische Folgen hat.
SIE: Ich, mein Lieber, würde Ihre Intimsphäre respektieren. Falls wir zusammen wären, was wir ja nicht sind. Wobei ich mich schon fragen würde, wieso Sie masturbieren müssen, wenn Sie doch mit mir den wunderbarsten Sex haben können. Vielleicht würde ich auch darauf hinwirken, dass Sie den Sportteil lieber mit mir am Küchentisch lesen. Und ob Sie mich überhaupt lieben, würde ich mich eventuell fragen, wenn Sie nun schon eine geschlagene halbe Stunde dasitzen, die Zeitung vor dem Gesicht. So viel Sport enthält doch der ausführlichste Sportteil nicht.
Aber natürlich ist die männliche Intimsphäre enorm wichtig – da sind wir uns einig.
JASAGEN
Anderer Ausdruck für: Du hast recht, Liebling.
ER: Ich sage ja.
Äh, was war die Frage?
SIE: Bitte verwenden Sie dieses Wissen niemals gegen mich: Mir muss man tatsächlich nur zwei Gläser schweren Rotwein einflößen, dann sage ich mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit JaJaJaJa.
JOGGEN, das
War früher nicht üblich. Früher war alles besser.
SIE: Ich VERACHTE, ich HASSE joggende Pärchen. Natürlich aus Neid, weil ich nicht Teil von so einer erfüllten kleinen Zweierbeziehung bin.
Mir gegenüber wohnen die Mustermanns: Um die dreißig, gutaussehend. Ich kann ihnen in die Küche gucken. Die frühstücken JEDEN TAG zusammen. Die essen JEDEN TAG gemeinsam zu Abend. Und ich habe sie schon mehrmals gemeinsam beim Joggen getroffen. Nicht die Spur verschwitzt laufen die beiden beschwingt die Isar entlang. Sie im weißen Tennishöschen und einem taillierten Shirt, er in blütenreinem Nike-Zeug. Sie unterhalten sich, während sie laufen, sie scheinen sich zu mögen, scheinen sich wohlzufühlen miteinander. Ihm macht das Schneckentempo nichts aus, das seine Spießerfreundin mit dem Luxuskörper vorlegt.
Mittlerweile bin ich sicher, irgendwer will mich fertigmachen, will, dass ich eines Tages ausraste, während ich mit dem Fernglas beobachte, wie sie gemeinsam ihre Tofuschnitten braten. Oder ich lauere ihnen im Park auf und würge sie mit meiner Pulsuhr, gerade wenn sie mit freundlich diesseitigem Lächeln an mir vorbeigejoggt sind. Und dann ab mit mir in die Klapsmühle.
Will da jemand nur meine Wohnung, oder geht es um Versuche am offenen Hirn, um endlich rauszufinden, warum es immer noch vereinzelte Leute gibt, die allein joggen, allein schlafen, allein aufs Klo gehen. Ich habe Angst.
ER: Obwohl ich selber jogge, und zwar nicht zu knapp, verachte ich nicht nur andere Jogger, ich verachte das Joggen an sich, und eines Tages werde ich vor einem amerikanischen Gericht diese ganzen Turnschuhfirmen verklagen, weil sie uns das alles eingebrockt haben. Nur weil sie uns ihre überteuerten Laufschuhe andrehen mussten, die das alleinige Heilmittel gegen drohende Wirbelsäulenstauchungen sein sollen: allein deswegen haben sie das Joggen erfunden, das jung und fit halten soll und uns angeblich stählt beim Kampf um Arbeitsplätze und Geschlechtspartner. Natürlich bin auch ich darauf reingefallen, ich möchte mithalten, meinen – vom Rotwein womöglich etwas aufgeschwemmten – Body im Zaum zu halten, ich möchte durchtrainiert, ausdauernd und zäh wirken, weil ich weiß, dass genau das da draußen auf dem Schlachtfeld der Arbeit und der Liebe zählt. Aber wenn ich durch die Landschaft spurte (na ja, spurten ist vielleicht der falsche
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