Ein Mann für alle Fälle
Begrüßung bei Claud fiel wesentlich kühler aus als bei Gio. Claud blieb hinter seinem Schreibtisch sitzen und nickte Mae kurz zu. „Hallo, Liebes“, sagte er kalt.
Mae gab ihm zur Begrüßung ein Küsschen auf die Wange, was er mit ausdrucksloser Miene hinnahm.
Seine Augen erinnerten an Trockeneis.
„Das hier ist Mitchell Peatwick, Privatdetektiv“, stellte Mae Mitch vor, und Claud blickte ihn gleichgültig an.
Vor Mitchs geistigem Auge erschien plötzlich das Bild der kleinen Mae, wie sie nach dem Unfall ihrer Eltern zwischen Gio, Armand und Claud im Büro eines Notars saß. Weder Gio noch Armand waren das große Los, aber dieser eiskalte Fisch … Oje, das arme Kind!
„Mr. Peatwick“, wiederholte Claud und musterte Mitch.
„Wir kommen gerade von Barbara Ross’ Apartment.“ Mae ging zu einem Stuhl und setzte sich.
Mitch folgte ihr, wobei er sich bewusst war, dass Claud jede kleinste Bewegung registrierte. Er fühlte sich wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange.
„Sie war nicht zu Hause“, fuhr Mae fort. „Wir haben nur mit ihrem Hausmädchen gesprochen. Dabei haben wir erfahren, dass Barbara Armands Witwe ist.“
Clauds Blick aus seinen kalten Glupschaugen richtete sich auf Mae. „Sie muss sich irren.“
„Das glaube ich nicht“, widersprach Mae und holte tief Luft. „Nehmen wir an, es stimmt. Welche Auswirkungen hat das auf die Aufteilung des Erbes?“
„Dann bekommt sie die Hälfte.“
Um Claud zu ärgern, schaltete sich Mitch nun in die Unterhaltung ein. „Einschließlich der Hälfte seiner Aktien.“
Er hatte richtig kalkuliert. Claud sah ihn verärgert an. „Es gibt keine Aktien.“
Mitch lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Warum nicht?“
Claud zuckte mit keiner Wimper. „Was wollen Sie eigentlich hier?“
Mitch wurde langsam wütend. Clauds Einmannshow begann ihm auf die Nerven zu gehen, und da er etwas dagegen hatte, dass nur er allein wütend war, beschloss er, Claud auch ein bisschen auf die Palme zu bringen. „Mabel hat mich engagiert, um nach Armands Mörder zu suchen. Sie wissen nicht zufällig etwas darüber, nein?“
Clauds Blick verriet keine Gefühlsregung. „Es gibt keinen Mörder. Armand starb an Herzversagen. Das ist zweifelsfrei festgestellt worden.“
„Jeder stirbt letztendlich an Herzversagen“, gab Mitch zurück. „Interessant wäre es doch, zu erfahren, warum sein Herz versagt hat.“
Mae versetzte ihm einen Rippenstoß. „Benehmen Sie sich“, murmelte sie und wandte sich gleich darauf wieder an Claud. „Barbara ist nicht unser einziges Problem. Es gibt verschiedene Dinge, die wir vermissen.“
Claud blinzelte irritiert. „Dinge?“
Mitch blickte Mae stirnrunzelnd an. „Was für Dinge?“
„Bilder. Möbelstücke. Seine Münzsammlung ist ebenso verschwunden wie ein wertvolles Schachspiel und der Lempicka.“
Mitch war empört. „Warum haben Sie mir das nicht schon früher erzählt?“
„Weil ich es für unwichtig hielt“, wiegelte sie ab. „Armand muss es gewusst haben, aber er hat kein Wort darüber verlauten lassen.“
„Vielleicht hat er die Sachen ja verkauft“, meinte Claud.
Mae lehnte sich zurück. „Das kann ich mir nicht vorstellen.“
„Aber wenn nicht, wo sind sie dann?“, wandte Mitch ein.
„Er ist überflüssig“, sagte Claud zu Mae.
Mae zwinkerte. „Mitch? Überhaupt nicht. Er hat nur keine Manieren. Kannst du dir denken, wo die Sachen möglicherweise sein könnten?“
„Ich werde mich darum kümmern.“ Claud stand auf.
„Nein.“ Mae blieb stur sitzen. „Ich kümmere mich selbst darum. Ich brauche nur ein paar Informationen. Falls Barbara wirklich Armands Witwe ist, erbt sie die Hälfte. Dann will ich wenigstens wissen, wohin die Sachen verschwunden sind. Da steckt eine Menge Geld drin. Falls du also weißt …“
„Reg dich nicht auf. Ich kümmere mich um alles.“
Mae öffnete den Mund, doch Claud war bereits zur Tür gegangen, um zu unterstreichen, dass er die Unterredung für beendet ansah.
„Moment noch“, schaltete sich Mitch ein. „Was ist denn mit den Aktien passiert?“
Clauds Blicke schienen Mae zu durchbohren. „Er ist überflüssig.“
„Nein“, widersprach Mae höflich. „Ich will ihn.“
Mitch ließ nicht locker. „Was also ist mit den Aktien?“
Clauds Augenlider flatterten einen kurzen Moment, ehe er antwortete. „Ich habe sie Armand abgekauft.“
„Sie haben sie ihm abgekauft? Alle? Sie waren doch ein paar Millionen wert.“
„Sechs
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