Ein Mann für alle Sinne - Roberts, N: Mann für alle Sinne
die Pressemappe erhalten, die ich Ihnen geschickt habe?“
Sie ist ziemlich cool, dachte Lydia und setzte sich in ihrem Sitz um. „Ja, danke. Der Bericht müsste Ende der Woche veröffentlicht werden. Ich lasse Ihnen eine Kopie zukommen.“
„Ja, bitte, das wäre mir sehr recht.“
„Miss Trent ...“
„Sagen Sie doch bitte Juliet.“ Erst jetzt drehte Juliet sich zu ihr um und lächelte Lydia an. „Es besteht kein Grund für Formalitäten.“
„Also dann, Juliet. Ich komme mir wie eine Närrin vor.“
„Das tut mir leid, das sollten Sie nicht.“
„Ich habe Carlo sehr gern, aber ich wildere nicht.“
„Lydia, ich bin überzeugt, es gibt keine einzige Frau auf der Welt, die Carlo nicht gernhat.“ Juliet schlug die Beine übereinander, als die Aufnahmen wieder begannen. „Würde ich glauben, dass Sie darauf aus sind zu wildern, wären Sie jetzt nicht einmal in der Lage, Ihren Bleistift zu halten.“
Einen Moment lang saß Lydia verblüfft da, dann lehnte sie sich lachend zurück. Carlo würde alle Hände voll mit ihr zu tun haben. Geschah ihm recht. „Ist es erlaubt, Ihnen viel Glück zu wünschen?“
Juliet bedachte ihr Gegenüber mit einem strahlenden Lächeln. „Natürlich. Das kann ich gebrauchen.“
Immer wieder glitt Carlos Blick hinüber zu den beiden Kontrahentinnen im Zuschauerraum, die sich plötzlich so gut unterhielten. Es war für ihn alles andere als einfach, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, wenn die beiden da so einträchtig nebeneinander im Publikumsraum saßen. Seine Episode mit Lydia hatte zwei fieberhafte, energiegeladene Tage gedauert. Er wusste nur wenig mehr von ihr, als dass sie eine Vorliebe für Erdnussöl beim Kochen und für Satinbettwäsche hatte. Was würde sie ausplaudern? Fast meinte er, das Kitzeln des Galgenstricks schon an seinem Hals zu fühlen.
Aber er war unschuldig. Gekonnt goss Carlo die Mischung aus Sud, Tomaten und Kräutern über das angebratene Hühnchen und setzte den Deckel auf die Kasserolle. Und wenn er sie fesseln und schütteln musste, Juliet würde ihn anhören.
Er bereitete sein Gericht mit dem Können eines Künstlers zu, der das Porträt eines Königs vollendete. Seinem Publikum bot er die Darbietung eines erfahrenen Bühnenschauspielers. Und während er all das tat, hegte er die düsteren Gedanken eines Mannes auf dem Weg zum Schafott.
Als die Show vorbei war, verblieb er die obligatorischen Momente mit dem Gastgeber, dann überließ er es der Fernsehcrew, eines der besten cacciatore zu verspeisen, die er je zubereitet hatte.
Doch als er in den Aufenthaltsraum kam, war von Juliet keine Spur zu sehen. Stattdessen wartete Lydia auf ihn. Ihm blieb nichts anderes, als sich zuerst um sie und das Interview zu kümmern.
Sie machte es ihm nicht leicht. Aber das kannte er von Frauen. Lydia plauderte, als sei nichts geschehen. Sie stellte ihre Fragen und notierte sich seine Antworten, während die ganze Zeit über ein schalkhaftes Funkeln in ihren Augen stand. Irgendwann reichte es ihm schließlich.
„Also gut, Lydia. Was hast du zu ihr gesagt?“
„Zu wem?“ Ganz die verkörperte Unschuld, blinzelte Lydia. „Oh, du meinst deine PR-Agentin. Eine wirklich reizende Frau, und so hübsch. Aber wer bin ich, dass ich deinen ausgezeichneten Geschmack infrage stellen wollte?“
Er stand auf und fragte sich still fluchend, was ein verzweifelter Mann mit seinen Händen machen sollte. „Lydia, wir beide hatten ein paar kurzweilige Stunden zusammen, mehr nicht.“
„Ich weiß.“ Etwas an ihrem Ton ließ ihn stehen bleiben und sich zu ihr umdrehen. „Ich glaube, keiner von uns könnte die genaue Anzahl unserer gemeinsamen kurzweiligen Stunden bestimmen.“ Mit einem leichten Schulterzucken erhob sie sich ebenfalls. Vielleicht verstand sie ihn, vielleicht beneidete sie ihn sogar um das, was sie in seinen Augen gelesen hatte. Aber das war kein Grund, ihn so leicht davonkommen zu lassen. „Deine Juliet und ich haben uns nur ein wenig unterhalten, Darling. Du weißt schon, wie Mädels sich eben unterhalten.“ Sie ließ Notizblock und Bleistift in ihre Handtasche gleiten. „Nur geplaudert, mehr nicht. Danke für das Interview, Carlo.“ An der Tür blieb sie stehen und drehte sich noch einmal um. „Solltest du irgendwann wieder in der Stadt sein ohne ... ohne Komplikationen, ruf mich an. Ciao.“
Als Lydia das Zimmer verlassen hatte, suchte Carlo nach etwas, das er an die Wand schleudern könnte. Bevor er sich entschieden hatte, was die
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