Ein Mann für alle Sinne - Roberts, N: Mann für alle Sinne
überzeugt, dass du mir das Kochen beibringen kannst, und ich bin ein hoffnungsloser Fall in der Küche. Dann schaffst du es ganz sicher, O’Hara Schritt für Schritt durch ein einziges Gericht zu führen.“
„Selbstverständlich schaffe ich das.“ Er verschränkte die Arme unter dem Kopf und schaute zur Decke hinauf. Ihre Logik war unanfechtbar, ihre Idee kreativ. Um ehrlich zu sein, die Idee gefiel ihm, fast so sehr wie die Vorstellung, nicht nach Boston fliegen zu müssen. Trotzdem schien es ihm nicht fair, etwas zu geben, ohne nicht etwas dafür zurückzubekommen. „Ich mache es – unter einer Bedingung.“
„Und die wäre?“
„Morgen früh führe ich also diesen O’Hara durch die Zubereitung meiner Linguini. Und heute Abend ...“ Er lächelte sie an. „Heute Abend haben wir die Generalprobe. Ich weise dich ein.“
Juliet hörte auf, mit dem Bleistift auf den Block zu tippen. „Du willst, dass ich Linguini koche?“
„Unter meiner Leitung, cara mia, kannst du alles kochen.“
Juliet dachte darüber nach und entschied, dass sie nichts zu verlieren hatte. Die Hotelsuite war dieses Mal nicht mit einer Kochgelegenheit ausgerüstet, was hieß, dass Carlo darauf zählte, die Hotelküche benutzen zu können. Vielleicht würden sie es ihm erlauben, vielleicht aber auch nicht. Falls das Küchenteam des Hotels es ihm zugestand und sie das Gericht nicht zustande bekam, konnten sie sich das Dinner vom Zimmerservice kommen lassen. Unter dem Strich ging es vor allem darum, von Boston zu retten, was sich noch retten ließ. „Ja, einverstanden, ich würde es sehr gern versuchen. Aber jetzt muss ich unbedingt diese Anrufe machen.“
Carlo schloss die Augen. Er würde solange ein wenig schlafen. Wenn er innerhalb von zwölf Stunden zwei Amateure in die Geheimnisse der Linguini einweihen sollte, brauchte er seine Kräfte. „Weck mich auf, wenn du alles erledigt hast“, sagte er. „Wir gehen dann die Hotelküche inspizieren.“
Es kostete Juliet gute zwei Stunden, und als sie dann endlich den Telefonhörer zum letzten Mal aus der Hand legte, waren ihr Nacken steif und ihre Finger taub. Aber sie hatte bekommen, was sie wollte. Hai hatte sie ein Genie genannt, und O’Hara hatte gemeint, ihr Vorschlag höre sich nach einem großen Spaß an. Ob Wind oder Wetter ... oder Nebel, dachte sie, sehr zufrieden mit sich, nichts konnte Juliet Trent aufhalten.
Ihr Blick glitt zu Carlo hinüber, und etwas in ihrem Innern geriet in Schieflage. Ihre Selbstsicherheit und das Triumphgefühl erhielten einen Dämpfer. Gefühle, dachte sie. Das war etwas, das sie nicht in ihren Terminkalender eingetragen hatte.
Nun, vielleicht gab es tatsächlich eine Katastrophe, die sie nicht vorausgesehen hatte. Vielleicht war es dieses eine Desaster, das sie trotz aller kreativen Ideen und allem Bemühen nicht umschiffen konnte. Sie würde lernen müssen, mit ihren Gefühlen für Carlo umzugehen und jeden Augenblick zu nehmen, wie er kam, einen Schritt nach dem anderen.
Noch vier Tage, dachte sie, dann ist die Karussellfahrt zu Ende. Die Musik würde verklingen, und sie würde aussteigen müssen.
Der Versuch, über diese vier Tage hinaus über die Zukunft zu spekulieren, war müßig. Die Zeit, die dahinterlag, war ein unbeschriebenes Blatt. Sie würde sich an der Überzeugung festhalten müssen, dass das Leben aus einzelnen Tagen aufgebaut wurde. Carlo würde gehen, und sie würde die Scherben einsammeln und ihr Leben von dem Punkt an wieder aufnehmen.
Sie war nicht dumm genug, um sich einzureden, dass sie nicht weinen würde. Ja, sie würde seinetwegen Tränen vergießen, aber niemand sollte davon jemals erfahren. Einen Tag im Kalender für Trauer vormerken, dachte sie ironisch, dann legte sie ihre Kladde beiseite.
Es war unklug und ungesund, schon jetzt darüber nachzudenken. Ihnen blieben noch vier Tage. Juliet schaute auf ihre leeren Hände und fragte sich, ob sie den Weg gegangen wäre, wenn sie von vornherein gewusst hätte, wohin er sie führte. Dann blickte sie wieder zu Carlo und sah ihm beim Schlafen zu.
Selbst mit geschlossenen Augen, wenn diese enorme Energie, die er besaß, zur Ruhe gekommen war, übte er eine magnetische Anziehungskraft auf sie aus. Es lag nicht nur an seinem Aussehen, wurde ihr klar. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die ihr Leben nur wegen körperlicher Attraktivität auf den Kopf stellten. Nein, es war eine Frage des Stils. Ein Lächeln auf dem Gesicht, erhob sie sich und ging zu dem Sofa hinüber,
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