Ein Mann für eine Nacht (German Edition)
wusste nach einer Weile nicht mehr, ob gerade Mittwoch oder Donnerstag war.
Zum Glück besorgte Lolta ihr das Flugticket und beschaffte ihr eine erste Unterkunft. Zwei Dinge weniger, über die sie sich den Kopf zerbrechen musste.
Claire hatte mehrmals angerufen, aber Anna hatte nicht abgenommen. Das Letzte, was sie wollte, war eine verdammte Manöverkritik der Party. Schließlich legte sie den Hörer neben das Telefon.
Es wurde milder, und Anna ging bei schönem Wetter gerne abends auf der Promenade spazieren. Sie würde das Meer vermissen, wenn sie nach England ging, ganz bestimmt. Es beruhigte ihre Nerven ungemein. Während sie abends die Promenade auf und ab schritt, hatte sie viel Zeit, jede Minute der Party wieder aufleben zu lassen. Etwas Gutes hatte die ganze Sache, stellte sie fest. Sie beneidete Victoria Reddin nicht mehr um ihren noblen Lebensstil. Mit Geld konnte man weder Glück noch Sicherheit oder Liebe kaufen. Es war ein armseliger Ersatz für ein wirkliches Leben. Anna hatte nicht viel, das gab sie zu, aber was sie hatte, war jedenfalls real. Es war real.
Sie würde nie wieder glauben, dass reiche Leute eine bessere Lebensqualität hatten. Millionen von Pfund und einen Widerling als Ehemann, den Deal würde sie ablehnen. Das Leben brachte genug Ärger. Aber gab es überhaupt so etwas wie einen echt anständigen Mann? Oder wurden alle bei der erstbesten Gelegenheit zu miesen Typen? Schwer zu sagen. Schließlich stellten sich die Kerle nie als Kotzbrocken vor, oder? Nein, sie beteuerten alle, monogam zu sein, bis man sie mit einer anderen erwischte. Vielleicht, weil sie doch das schwächere Geschlecht waren? Das war möglich. Ja, das war wirklich möglich. Denn wenn selbst der mächtigste Mann Amerikas sich bei „sexuellen Beziehungen“ mit einer verliebten Praktikantin erwischen ließ, welche Chance hatte dann genau betrachtet der durchschnittliche Otto Normalverbraucher?
„Anna, bist du dran? Gott sei Dank habe ich dich endlich erreicht.“
„Hallo Claire.“ Anna stöhnte innerlich. Sie wollte nicht über die Party sprechen. Sie brauchte keine Therapie und wollte auch nicht mit einem weiteren Freund von Simon verkuppelt werden, damit es ihr besser ging. Sie war über Darren/Vincent hinweg. Sie scherte sich einen feuchten Kehricht um ihn. Sollte er doch weiterhin mit seinem armseligen Frauchen verheiratet bleiben und seine schäbigen Affären pflegen.
Die Party war das Beste, was ihr hätte passieren können. Sonst hätte sie vielleicht ihr Leben lang gedacht, dass man das Glück auf dem Beifahrersitz eines protzigen Sportwagens finden konnte. Alles Gute für die Reddins und ihr albernes Gefolge. Um keinen Preis hätte Anna mit ihnen tauschen mögen.
„Anna, ich habe angerufen, weil ich dir sagen wollte, dass ich dich furchtbar vermissen werde, wenn du nach England gehst.“
„Ach, Claire, es ist nur eine Stunde mit dem Flugzeug. Ich fahr nicht zum Mond, weißt du.“
„Ich weiß.“ Claire war aufgewühlt.
„Ich sehe dich wahrscheinlich öfter als jetzt“, sagte Anna freundlich.
„Ja klar, also, ich weiß, dass du nicht über die Party sprechen willst. Ich werde keinen Pieps darüber sagen.“
„Gut“, sagte Anna. Jetzt, wo Claire sie nicht bedrängte, wollte sie plötzlich doch ganz gern darüber reden. „Mir geht’s gut, ehrlich.“
„Victoria weiß von der Affäre.“
Affäre? Himmel, das klang so schmutzig. Anna zuckte zusammen. So als ob sie es in schmuddeligen kleinen Hotels überall im Lande getrieben hätten. Aber das war Dublin. Kleine Stadt, kleiner Geist. Die Leute hatten nichts anderes zu tun, als zu klatschen. Es zeigte nur, wie langweilig ihr eigenes Leben war. Affäre, aber wirklich! Ein unbedeutendes Techtelmechtel. Das war alles gewesen.
„Steht sie zu ihm?“
„Ja.“
Natürlich steht sie zu ihm , dachte Anna verächtlich. Sie würde nicht ihm die Schuld geben. Frauen wie sie gaben nie ihren Männern die Schuld. Schuld war immer die andere Frau. Die Verführerin. Victoria würde zum Schluss davon überzeugt sein, dass Anna auf Händen und Knien darum gebettelt hatte, es ihm zu besorgen. Die arme bedauernswerte Anna Allstone, die trotz ihres ganzen Erfolgs immer noch eine dämliche Gans war und dringend mal wieder bumsen musste. Natürlich würde er Victoria schwören , dass es absolut nichts bedeutet hatte, dass Anna ihm nur leidgetan hatte und dass nichts dergleichen jemals wieder passieren würde. Vielleicht würde er auch ein paar
Weitere Kostenlose Bücher