Ein Mann für eine Nacht (German Edition)
ihren Körper für Drogen anbieten und aus einem Pappkarton leben. Es war nur ein Karriereschritt, kein großes Drama. Wie auch immer, warum dachten alle, dass sie in London einsam und deprimiert sein würde? Kannte sie denn keiner richtig? Es war cool, in London zu leben. Sogar Madonna wohnte da, und die konnte es sich erlauben, überall zu wohnen. Anna konnte es kaum erwarten , all die coolen Leute in London kennenzulernen. Sie würde im Ivy dinieren. Sobald sie angekommen war, musste sie reservieren. Herrje, sie würde so viel Spaß haben!
„Pass?“
„Ja.“
„Geld?“
„Ja.“
„Kontaktlinsenflüssigkeit?“
„Äh ... glaub schon.“
„Erste-Klasse-Ticket?“
„Also, Mum, du bist so ein Snob.“ Anna lachte. „Keine Sorge, ich habe alles gepackt.“
„Und sollen wir dich nicht doch zum Flughafen fahren?“ Annas Mutter hatte Tränen in den Augen.
„Nein, Mum, zur Bushaltestelle reicht. Ist viel schneller mit dem Bus.“
„Schreibst du uns?“
„Ich rufe an.“ Anna lachte. „Und am übernächsten Wochenende komme ich sowieso zu Andrews zweitem Geburtstag. Dann besuche ich euch.“
„Pass auf dich auf, Anna, wir sehen uns in zwei Wochen.“ Annas Vater war viel praktischer.
Als Anna in Donnybroke in den Bus einstieg und bezahlte, rief eine Stimme „Anna“. Sie drehte sich um. „Schönes Foto.“ Ihr Vater drückte auf den Auslöser. Gut, dass sie ihnen nicht erlaubt hatte, sie bis zum Flughafen zu bringen!
„Fenster oder Gang?“ Die hübsch geschminkte Flughafenmitarbeiterin stellte ihr das Ticket aus.
„Gang ist in Ordnung.“ Anna lächelte. Sie wollte jetzt nicht kindisch sein und nach einem Fensterplatz fragen.
„Ihr Flug geht von der Abflughalle B Gate 26 los.“ Die
Mitarbeiterin lächelte freundlich. Anna ging schnell zu Hughes & Hughes, wo sie einige Illustrierte kaufen wollte, um die Zeit totzuschlagen, nahm dann aber doch lieber The Times (das tat man ja wohl in ihrer Position). Sie kaufte auch den neuesten Roman von Robyn Sisman, bevor sie aus dem Laden ging. Gut, das war alles. Jetzt konnte sie auch gleich zum Gate gehen. Vor der Sicherheitskontrolle war eine Schlange. Während die Leute warteten, verabschiedeten sie sich tränenreich von den Zurückbleibenden. Gott sei Dank hatte sie ihre Eltern nicht mitkommen lassen, sagte sie sich zum fünfzigsten Mal. Sie wollte sich gerade an der Schlange anstellen, als ihr plötzlich einfiel, dass sie – hurra – ein Businessticket in der Tasche hatte und an den Plebejern vorbeigehen konnte. Wunderbare Idee. Sie steuerte auf die Sicherheitsabsperrung zu.
„Anna, Annnaaaaa!“
Sie erstarrte. Diese Stimme. Sie drehte sich um. Langsam. Wie die anderen Leute auch.
Mark. Ja, Himmel, es war Mark, auf Knien. „Anna, verlass mich nicht. Steig nicht in das Flugzeug. Alles ist vergeben“, rief er mit gespieltem Pathos.
Die Leute kicherten. Ein Mann hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht laut loszuprusten. Das ist gar gar GAR nicht witzig. Anna verzog gequält das Gesicht. Sie stand mit Tasche und Times unter dem Arm da und fühlte sich wie ein totaler Trottel, während Mark sie beide lächerlich machte.
„Steh auf“, fauchte sie mit hochroten Wangen.
„Ach Gottchen, ist das romantisch“, sagte eine kolossale Frau, die ein Guinness is good for you Käppi trug. Jemand machte ein Foto. Und diesmal war es nicht ihr Vater.
„Mark, ich rufe gleich den Sicherheitsdienst, das schwöre ich dir“, sagte Anna, aber sie sah nur einen einzigen Mann vom Sicherheitsdienst und der lachte sich gerade kaputt. „Das werde ich dir nie verzeihen.“
„Hast du mir die andere Sache verziehen?“
„Nö.“
„Dann habe ich ja nichts zu verlieren.“
„Bitte, steh auf“, bat Anna, „du machst mich zu einer Lachnummer.“
„Nur wenn du mir etwas versprichst.“
„Was?“
„Also, es gibt ein K lass entreffen bei den Jungs. Kommst du mit? Als Freundin?“
„Nein.“
„Als meine Freundin?
Ihr Herz hüpfte vor Freude wie am Bungee-Seil. „Oh, ja.“ Anna, jetzt mal ruhig. Sag was Witziges . „Erwarte nur nicht, dass wir Händchen halten.“
Mark stand auf und verbeugte sich vor den Leuten, die nicht mehr weinten oder ihre Liebsten umarmten.
„Heiraten sie jetzt, Mommy?“, fragte ein kleiner Junge die Dame mit dem Guinness Käppi.
„Nein, Liebling“, seufzte sie. „So etwas passiert nur im Film.“
„Dafür bring ich dich um“, sagte Anna zu Mark, als er sich den Dreck von den Knien
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