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Ein Mann fürs Grobe

Ein Mann fürs Grobe

Titel: Ein Mann fürs Grobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky
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es, was die seidige Luft, die lichten Farben und die klaren Formen betraf, mit der Toskana aufzunehmen. Schrotzer fühlte sich so leicht wie nach mehreren Gläsern Champagner.
    «Nudow», sagte er. «Klingt ja ganz nach Nudisten.»
    «Die wird’s wohl hier weniger geben.»
    Schrotzer hatte eine Idee. «Wenn ich eine Badehose mithätte, würde ich Sie bitten, mal kurz anzuhalten. Der Abend ist so herrlich, daß man einfach schwimmen muß.»
    Der Taxifahrer machte ihm einen ganz konkreten Vorschlag. «Nachher in Ferch, da ist ’ne schöne Badeanstalt.»
    «Wenn ich schon das Wort Anstalt höre! Nein, allein und im Freien.»
    Der Taxifahrer sah kurz auf die große Karte, die er neben sich auf dem Beifahrersitz ausgebreitet hatte. «Wie wär’s denn da mit dem Großen Seddiner See...? Da können Sie nackt ins Wasser rein, und wir sind dann nachher gleich in Ferch drüben, unter der Autobahn durch und am Bahnhof Ferch-Lienewitz vorbei.»
    «Na, wunderbar, machen wir das.»
    Der Taxifahrer wußte Bescheid. «Das ist hier die sogenannte Zauche. Gleich werden wir die Nuthe kreuzen und nachher die Nieplitz.» Er nannte noch x andere Namen.
    Schrotzer nickte und hoffte nur, daß es nicht gewittern würde, bevor er sein Bad genommen hatte. Als sie am Siethener See vorbeikamen, zog hinter den Glauer Bergen eine schwarzgraue Gewitterfront auf.
    «Haben Sie keine Angst?» fragte er den Taxifahrer.
    «Vor dem Gewitter?»
    «Nein: allein mit einem Fahrgast in der Einöde hier... Es passiert ja genug in letzter Zeit. Wie hieß der Kollege, den sie gestern nacht ermordet haben?»
    «Wuttkowski, Wolfgang Wuttkowski. Aber das war in Lübars oben.»
    «Was hab ich neulich gelesen: Der Bundesverkehrsminister will Taxischilder einführen, die blinken, wenn der Fahrer Alarm auslöst...?»
    «Das ist doch Quatsch», sagte der Taxifahrer. «Wenn es draußen hell ist, sieht das ohnehin keiner. Außerdem haben wir ja alle Alarmknöpfe am Lenkrad dran, und die setzten sofort akustische Signale in Gang. Außerdem blinken die Scheinwerfer und die Rücklichter alle, und in der Taxizentrale heulen die Sirenen auf.»
    Schrotzer fragte sich, warum das in Lübars denn alles nicht geklappt hatte. «Hat Ihr Kollege da geschlafen oder was?»
    «Vielleicht hat er seinem Fahrgast zu sehr vertraut... Das ist eben unser Berufsrisiko.»
    «Wie viele Tote gibt’s denn so pro Jahr?» wollte Schrotzer wissen.
    «Etwa dreißig Überfälle haben wir und im Schnitt einen, der ermordet wird. Kopfschüsse, Messerstiche... Man dreht ja dem potentiellen Täter ständig den Rücken zu.»
    Diese Diskussion löste bei Richard Schrotzer etwas aus, das ihn zutiefst erschrecken ließ. Er verspürte nämlich das heftige, ja triebhafte Verlangen, den Mann links vor ihm zu töten. Ihm ein Messer in den Hals zu stechen, ihn mit einer Axt den Schädel einzuschlagen, ihm eine Kugel in die Schläfe zu jagen. Er haßte diesen Kerl, und er war für ihn die Zusammenfassung aller Männer, die er in den letzten Jahren hatte umbringen wollen, solche aus dem privaten Umfeld wie Politiker, Diktatoren, Manager und Menschenschlächter. Vielleicht ging es mit dem Regenschirm, dem Knirps, den er mitgenommen hatte, weil es im Laufe des Abends regnen sollte. Seine rechte Hand umschloß ihn schon.
    «...ja, die Versuchung ist groß», sagte er mit heiserer Stimme.
    Der Taxifahrer schien indes von seinen Vibrationen nichts zu merken und blieb ganz sachlich beim Thema Sicherheit. «Am besten wäre schon eine Videokamera in jeder Taxe, die alles aufzeichnet und in die Zentrale überträgt. Wie bei den Banken überall. Oder eben bargeldloses Fahren mit dem ‹Cab-Charge-System›, wie bei ’ner Telefonkarte beispielsweise.»
    «Früher hat es ja eine Zeitlang mal Trennscheiben gegeben», sagte Schrotzer und hatte dabei das Gefühl, daß ein dritter Mann im Wagen diese Worte sprach. Seine Lust, mit dem Schirm auf den Mann am Steuer einzuschlagen, wuchs von Sekunde zu Sekunde, und er belegte den Taxifahrer im inneren Monolog mit Begriffen wie: Arschloch, Penner, Dumpfmeier und debiler Kutscher. Aus seinen Psychologie-Vorlesungen wußte er, daß solche neurotischen Aggressionsschübe durchaus möglich waren. Wenn man als Kind zu sehr gedrillt worden war und ein tyrannisches Über-Ich die Triebansprüche des Es rigoros unterdrückte, konnten die verdrängten und unterdrückten Triebansprüche plötzlich mit Urgewalt hervorschießen und sich in einer Affekttat wie dieser entladen. Er mußte tief

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