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Ein Mann - Kein Wort

Ein Mann - Kein Wort

Titel: Ein Mann - Kein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Weingardt
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für die Frau eine Hilfe, wenn ihr Gegenüber ihr wenigstens verdeutlichen könnte, was der
Grund
seines Schweigens ist.Doch die Vermutung liegt nahe, dass dem Mann dies selbst häufig nicht klar ist. Es ist, als ob ihn angesichts des Anspruchs der Frau, endlich einmal über sich selbst, über das, was sie beide bewegt, trennt oder zusammenhält, verbindet oder abstößt, offen zu reden, eine Art Panik oder Lähmung überkommt. Ihm fehlen die Worte. Möglicherweise schlägt ihm das Herz bis zum Hals – doch er bekommt keinen klaren Satz heraus.
    Das wäre zwar schmerzlich, aber nicht so schmerzlich, wie wenn das Schweigen
absichtlich
eingesetzt würde, um den Partner mit seinem Anliegen auszubremsen, sprich: abzuwehren. Ebenso verwerflich ist es, wenn der Partner schweigt, um sich um beschämende Eingeständnisse oder für ihn unbequeme Antworten drücken zu können. Ein solches Verhalten ist schlichtweg als feige zu bezeichnen, weil damit der Wahrheit samt ihren Konsequenzen aus dem Weg gegangen wird – eine Art Vogel-Strauß-Politik, die sich über kurz oder lang rächt. Sie wird allerdings keineswegs nur von Männern praktiziert. 52
    »Wer fragt, verdient Antwort« heißt es in einem Gedicht von Bertolt Brecht, und ich kann ihm, was eine Partnerschaft anbelangt, nur recht geben – und wenn die Antwort auch lautet: »Ich kann dir auf diese Frage im Moment keine Antwort geben, weil ich die Antwort selbst noch nicht weiß und sie erst herausfinden muss.«
    Meines Erachtens sollte Schweigen als Form der Kommunikationsverweigerung oder des Kommunikationsabbruchs in einer Partnerschaft keinen Platz haben, weil es von dem, der kommunizieren
möchte
, immer als demütigend und verletzend empfunden wird. Wenigstens sollte der Mann sich darum bemühen, sein Schweigen zu erklären, sodass es für die Frau nachvollziehbar ist. Außerdem sollte er deutlich machen, dass er sich zwar im Moment überfordert oder außerstande fühlt, das Gespräch weiterzuführen, dass er es aber zu einem anderen Zeitpunkt fortführen will, weil er das Anliegen der Frau nicht einfach ignorieren möchte.
    Wenn der Mann auf eine Erklärung
verzichtet
, so besteht die Gefahr, dass die Frau sein Schweigen, sofern es nicht am Anfang, sondern am
Ende
einer längeren Diskussion steht, auch noch fehlinterpretiert, indem sie es als Zeichen seiner Zustimmung bewertet (»Endlich hat er eingesehen, dass ich recht habe!«). Dies ist in vielen Fällen ein Trugschluss. Häufig stellt sich bei dem Mann nach längerer Diskussion schlicht und einfach eine starke Erschöpfung ein – er schweigt nicht, weil er der Frau recht gibt, sondern weil er das Gespräch beenden möchte. Doch dann sollte er genau dies auch deutlich machen – mit dem Vorschlag, das Thema zu einem anderen Zeitpunkt wieder aufzugreifen.
      Fehlende Bereitschaft zur Selbsterforschung
    Jede engere Verbindung zwischen Menschen, vor allem zwischen Mann und Frau, bringt es mit sich, dass man auf Verhaltensweisen, Reaktionen oder Angewohnheiten des Gegenübers stößt, die man nicht versteht. Sie wirken eigenartig, unvernünftig, unlogisch, nicht nachvollziehbar und lösen bei uns Befremden aus. Wir sind ein solches Handeln nicht gewöhnt und können uns auch, so sehr wir uns darum bemühen, keinen Reim darauf machen. Also liegt es nahe, die schlichte Frage zu stellen: »Warum machst du das so?«
    Ein Beispiel: Als ich nach meiner Heirat zu meinem Mann gezogen war, betrat er eines Tages ohne anzuklopfen mein Arbeitszimmer. Entrüstet fauchte ich ihn an: »Klopf gefälligst an!« Mein Mann schaute mich entgeistert an und fragte: »Warum soll ich denn hier zu Hause anklopfen, wir sind doch nicht im Büro!« Nun hätte ich natürlich brüsk antworten können: »Weil ich es so will!«, aber damit wäre ich der Frage im Grunde ausgewichen. Ich überlegte, warum mich sein Verhalten geärgert hatte – und kam zu einer Erklärung, die er beim besten Willen nicht hätte herausfinden können. 53
    Als ich ihm des Rätsels Lösung mitteilte, konnte er meine Sensibilität in diesem Punkt nachvollziehen – und ich wurde mir darüberklar, wie unangebracht es war, diese Empfindlichkeit in meine Ehe hineinzutragen. Seither ist das Thema »Anklopfen« kein Thema mehr.
    Natürlich ist die Erklärung für das eigene Denken, Fühlen und Reagieren nicht immer so leicht zu finden, doch meines Erachtens schulden es sich zwei Partner gegenseitig, auf die Warum-Frage des anderen eine Antwort zu geben – und sei es auch

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