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Ein Mann - Kein Wort

Ein Mann - Kein Wort

Titel: Ein Mann - Kein Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Weingardt
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her?« Ihm war der Schal gar nicht aufgefallen.
     Auch bei einem Treffen mit einem befreundeten Ehepaar zeigten sich prägnante Unterschiede. Die zwei Frauen besprachen im Lauf des Abends ihr gesamtes Beziehungsfeld: »Wie geht es dir persönlich,was machen die Kinder, die Eltern, diese und jene, wie geht’s in der Partnerschaft und wie im Beruf?« Die beiden Männer zogen sich währenddessen in den Keller bzw. die Garage (vgl. »cave« = Keller, Höhle!) zurück, um die neue Bohrmaschine zu begutachten und auszuprobieren.
    Dies sind sicher absichtlich überzogene Darstellungen, doch sie schildern – dem Gelächter nach zu urteilen – recht exakt die von vielen Männern und Frauen beobachteten Verschiedenheiten in den Interessen und damit auch in der Wahl und »Bearbeitung« der Themen.
    Und selbst wenn es Männern und Frauen gelingt, ein gemeinsames Gesprächsthema zu finden, was ja bei zahlreichen geselligen Zusammenkünften der Fall ist, neigen Männer eher dazu, daraus ein Problem oder Sachthema herauszuschälen, für das eine
Lösung
gefunden werden kann und muss. Wozu sollte man sonst so lange darüber sprechen? Frauen hingegen umkreisen oft ein Thema und begutachten bzw. »befühlen« es sozusagen von allen Seiten, ohne damit das Ziel oder die Erwartung zu verbinden, am Ende eine »Lösung« zu haben.
    Ausgehend von dieser Tendenz im männlichen Denkstil kann man durchaus verstehen, weshalb viele Männer das Gespräch über persönliche und seelische Befindlichkeiten eher vermeiden
.
    Sachverhalte und Sachen – dazu gehören alle beweglichen, mechanischen und technischen Gegenstände – sowie Tatsachen, »harte Fakten« oder auch Verläufe und Prozesse lassen sich in aller Regel zerlegen, analysieren und wieder zusammensetzen. Menschen und ihre Gefühle bzw. ihre Beziehungen sind hingegen nicht so einfach auseinanderzunehmen. Sie entziehen sich meist unserem vollständigen Einblick und unserem Willen, sind mehr oder weniger »unberechenbar«. Zu viele unbekannte Variablen, zu vieles »schwer Greifbare«, zu vieles, was sich nicht so leicht eingrenzen, auf den Punkt bringen und in den Griff bekommen lässt, spielt bei Menschen, ihren Gefühlen und Beziehungen mit hinein.
    Das
lösungsorientierte
Denken ist immer dann von Vorteil, wennes sich um relativ eng umgrenzte, klar definierte oder definierbare Problemstellungen handelt. Es kommt jedoch schnell an seine Grenzen, wenn es um menschliches Empfinden und Erleben geht, das immer vielschichtig und oft unvorhersehbar ist. 18 Denn für viele Erfahrungen, die wir machen und die uns möglicherweise belasten – Verlust, Verletzung, Scham, Gefühle des Scheiterns, Angst und Ratlosigkeit – gibt es keine einfachen »Lösungen«, weil wir uns nicht einfach von ihnen (ab-)»lösen« können! Sie sind ein Teil unserer Erfahrungen – Erfahrungen, die uns tief geprägt haben, immer noch prägen und sich nicht ohne Weiteres abschütteln lassen. Sie speisen sich aus Quellen unserer Erinnerungen und Emotionen, die vielleicht zum größten Teil im Dunkel unseres Unterbewusstseins liegen und an die wir uns deshalb nur mühsam und geduldig im Gespräch oder in der Innenschau herantasten können.
    Dieser letzte Ursprung im Dunkeln gilt jedoch nicht nur für viele belastende, sondern auch für beglückende Gefühle. Ein gutes Beispiel dafür ist die Liebe. Auch wenn Liebe nie völlig »grundlos« ist, sondern sehr wohl ihre »Gründe« hat, so hat sie daneben auch ihre Abgründe – all das Übermächtige, Irrationale, uns bisweilen auch Beängstigende und Überwältigende. Der französische Philosoph und Mathematiker Blaise Pascal (1623–1662) hat dieses Wesensmerkmal der Liebe mit dem schönen Wortspiel ausgedrückt:
»Le cœur a ses raisons que la raison ne connaît pas«
– zu Deutsch:
»Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt
.« 19 Und genau dieses Unberechenbare ist es, was vielen Männern auch Angst macht, weshalb sie Beziehungen unter Umständen auf emotionaler»Sparflamme« kochen, um damit nicht in den Strudel ihrer eigenen Gefühle – oder in den Sog der Gefühle ihres Gegenübers – hineingerissen zu werden. Auch sogenannte »Narzissten« sind, so legen es psychologische Forschungen nahe, Menschen, die letzten Endes und entgegen dem äußeren Anschein sich selbst nicht zu sehr, sondern
zu wenig
lieben. Vermutlich wurden sie in ihrem Wunsch nach Liebe als Kinder so sehr verletzt, missachtet oder missbraucht, dass sie es zu ihrer eigenen

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