Ein Mann von Ehre
sein mochte, der versucht hatte, es in seine Gewalt zu bringen.
„Weiß Mr. Wrexham, dass du jetzt noch im Freien bist?“, fragte sie es stirnrunzelnd.
„Nein, Madam.“ Die Miene des Jungen drückte Unbehagen aus. „Werden Sie ihm das morgen erzählen, wenn Sie zum Dinner kommen? Dann wird er mir sehr böse sein.“
„Das kann ich mir vorstellen“, erwiderte Rosalyn, bemüht, nicht zu lächeln. „Nein, ich werde dich nicht verraten. Aber ich möchte wissen, wer dieser Mann ist, vor dem du dich so sichtlich fürchtest.“
„Er würde es nie wagen, mir ein Leid anzutun“, antwortete Jared geringschätzig. „Sonst würde mein Vater ihn hart bestrafen. Nein, Angst habe ich nicht vor Rajib. Manchmal sieht er mich jedoch so an, als würde er mich hassen. Ich weiß, dass er meine Mutter nicht mochte. Auch ich kann ihn nicht ausstehen.“
„Ist das Mr. Wrexham geläufig? Falls er das nicht weiß, solltest du ihm erzählen, dass du diesen Rajib unsympathisch findest. Vielleicht schickt er ihn dann fort.“
„Rajib ist mein Diener.“ Der Ton, in dem der Junge gesprochen hatte, war leicht herablassend gewesen. „Ich kann ihn entlassen, wenn ich das will, aber dann hätte die alte Nessa niemanden, der ihr hilft.“
„Wer ist sie?“
„Sie ist meine Ayah. Früher war sie die Vertraute meiner Mutter.“
Rosalyn bemerkte, dass die Augen des Kindes feucht schimmerten. Offenbar litt er noch immer unter dem Verlust der Mutter.
„Wann ist deine Mutter gestorben?“
„Im vergangenen Jahr“, antwortete Jared und blinzelte gegen die Tränen an. „Als sie noch lebte, war alles besser. Jetzt hat sich so viel verändert. Im Hause meines Vaters bin ich nicht mehr erwünscht.“
„Wie soll ich das verstehen?“, fragte Rosalyn und fühlte Mitleid, weil der Junge so verletzt geklungen hatte.
„Ich darf nicht darüber reden“, antwortete Jared und setzte eine verschlossene Miene auf. „Entschuldigen Sie mich. Ich muss ins Haus zurück.“
„Wäre es dir recht, wenn ich dich begleite?“
„Danke, Madam, aber ich komme allein zurecht.“
Er wirkte so stolz, so würdevoll. Rosalyns Herz flog ihm zu.
„Wie du möchtest. Aber nimm wenigstens den Hund mit. Er kennt sich hier aus, wohingegen du dich möglicherweise doch verläufst. Du kannst Sheba so am Halsband halten, wie ich das jetzt tue, und wenn du daheim bist, lässt du sie los. Dann kommt sie zu mir zurück.“
„Sie sind sehr freundlich, Memsahib“, erwiderte Jared lächelnd. „Ich mag Sie und bin froh, dass Sahib Wrexham Sie zu uns eingeladen hat. Ja, ich werde Sheba mitnehmen, aber nur, weil ich wirklich nicht genau weiß, wie ich nach Haus komme.“
Rosalyn unterdrückte ein Lächeln. Der Junge machte sich auf den Weg, die Hündin fest am Koller haltend. Plötzlich schaute er zu Rosalyn zurück. Sie winkte ihm zu, begab sich dann in die Bibliothek und versperrte hinter sich die französische Tür.
Stirnrunzelnd hatte Damian aus dem Gebüsch das Geschehen beobachtet. Er war jedoch nicht nahe genug, um zu verstehen, was der Prinz zu Miss Eastleigh gesagt hatte. Plötzlich bedauerte er, dass er sie unter so misslichen Umständen kennengelernt hatte, und hoffte, Prinz Jared möge nichts geäußert haben, wodurch ihr Argwohn erregt worden war. Er hielt sie für scharfsinnig und intelligent, und sollte sie sich einmischen, konnte das einen Strich durch seine Absichten machen.
Das wiederum konnte für alle Beteiligten sehr gefährlich werden.
Vormittags legte Rosalyn sich einen warmen Schal um die Schultern, verließ das Haus und ging gedankenvoll in den hinter dem Gebäude liegenden Teil des Parks. Sie dachte an ihre kleine, von einer schweren Krankheit genesene Großcousine Sarah, die sie auf Tante Susans Wunsch hin eine Weile bei sich aufnehmen sollte, damit das Kind sich besser erholte. Natürlich hatte sie der Tante geschrieben, dass sie selbstverständlich damit einverstanden war, Sarah eine Zeit lang bei sich aufzunehmen.
Plötzlich bekam sie von hinten einen Stoß, begriff, dass Sheba sie angesprungen hatte, und hörte einen Mann den Hund zur Ordnung rufen. Überrascht drehte sie sich um und sah Mr. Wrexham vor sich.
„Entschuldigen Sie, Miss Eastleigh“, sagte er. „Ich war mit Sheba auf dem Weg zu ihnen, und als die Hündin Sie bemerkte, hat sie so gezogen, dass sie mir die Leine aus der Hand riss.“
„Ach, machen Sie sich keine Sorgen“, erwiderte Rosalyn leichthin und freute sich darüber, Mr. Wrexham so unerwartet schnell
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