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Ein Mann von Welt

Ein Mann von Welt

Titel: Ein Mann von Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Wilson
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um und sprach direkt zu mir, das ist das Leben eines Trottels, du hast das Leben eines Dorftrottels geführt. Dein Vater, möge er in Frieden ruhen, hätte sich was schämen sollen, dass er dir erlaubte, dich in Madera wie der Dorftrottel zu benehmen.

    Dann sagte sie, hier wirst du kein Dorftrottel sein. Du wirst ein anständiger Bürger sein, Eigenverantwortung tragen, du wirst hier in Panorama City jemand sein, der seinen Beitrag für die Gesellschaft leistet. Sie hatte eine Anstellung für mich arrangiert, erklärte sie, eine legitime Anstellung, sie hatte gewisse Verbindungen und konnte mir deshalb sofort einen Job vermitteln, einen Job, bei dem von mir erwartet wurde, dass ich zu einer bestimmten Zeit anfange und zu einer bestimmten Zeit aufhöre, und für den ich mit echtem Geld bezahlt würde, nicht mit Sandwiches oder anderen fadenscheinigen Zeichen von hinterwäldlerischem Wohlwollen, alles ihre Worte. Ich glaube nicht, dass sie mich verletzen wollte, sie war wütend auf deinen Großvater, es war, als hätte sie vergessen, dass ich überhaupt da war. Es würde eine Anlernphase geben, sagte sie mir, eine kurze Einarbeitungszeit, und dann wäre ich ein echter Arbeiter, mit einer richtigen Anstellung, etwas, worauf ich stolz sein könnte. Was für ein Glück, dachte ich, jetzt mal abgesehen vom Dorftrottel-Teil ihrer Rede, unsere Ziele lagen auf einer Linie. Ich hatte die Kluft zwischen dem, was es bedeutet, ein anständiger Bürger und ein Mann von Welt zu sein, noch nicht erkannt, soweit ich damals wusste, waren sie ein und dasselbe.

    Ich sollte auch noch erwähnen, dass nicht nur Tante Liz redete, ich redete auch, es war keineswegs so, dass sie in einem langen Wortschwall schwadronierte, aber ich weiß nicht mehr so richtig, was ich gesagt habe, es ist einfacher, sich daran zu erinnern, was andere Leute gesagt haben, als sich daran zu erinnern, was man selbst gesagt hat, deine Worte
kommen aus deinem Kopf raus und ihre Worte kommen in deinen Kopf rein, das leuchtet ja ein, dass am Ende des Tages dein Kopf mit den Worten von jemand anderem voll ist.
    SPRINGER
    Aus irgendeinem Grund war Tante Liz' Vorstellung von einem anständigen Job ein Fastfood-Restaurant in der Nähe, dessen Name unerwähnt bleiben soll, ich will den Namen lieber nicht sagen, weil es im ganzen Land Tausende davon gibt und ich nur über das eine sprechen kann, in dem ich gearbeitet habe, ich kann nur über meine Erfahrungen in unserem Laden sprechen, der nicht bloß die einfältigen Standards der Firma befolgt, die für alle Restaurants verantwortlich ist, sondern der sich seinen eigenen Weg gebahnt hat, wie Roger Macarona das ausdrückte. Roger hatte einen buschigen Schnurrbart, einen widerspenstigen Schnurrbart, und seine Hemden trug er einen Knopf zu weit offen, so sah man seine raue Kehle und seinen trockenen Adamsapfel, und wo man eine behaarte Brust erwartet hätte, sah man eine rätselhafterweise haarlose Fläche, über die meine Kollegen viel herumspekulierten. Am ersten Tag wurde ich Melissa vorgestellt. Sie war rund und schwarz und die Mutter zweier Kinder, Francis, der eine Brille mit dicken Gläsern trug und Filmemacher werden wollte, Ho, der Flüchtling, und Wexler, der über Autos redete und sonst über nichts. Jedes Mal, wenn Roger meinen Kollegen eine Anweisung gab, sagten sie seinen Namen immer zweimal, und danach drohte er ihnen an, sie müssten ihn Dr. Macarona nennen, er war eigentlich gar kein Doktor, aber in der Schule des Lebens wäre er verdammt viel weiter gekommen als wir anderen, seine Worte, und wir könnten ihn nicht Bachelor nennen, was ja
auch Junggeselle bedeutet, weil er verheiratet war, und wir könnten ihn nicht Master nennen, weil Melissa schwarz war, und wie würde das denn bitte aussehen, seine Frage.

    An diesem ersten Tag, in dieser ersten Stunde holte mich Roger in sein Büro, ein winziges Zimmer, eigentlich eher eine Kammer, und schaute sich die Papiere an, die Tante Liz ausgefüllt hatte. Er legte einen Stapel Ordner beiseite, darunter waren ein Fernseher und ein Videorekorder in ein Regal geklemmt. Ich werde einfach überall, wo ich hingehe, von Fernsehern verfolgt, das scheint schon immer mein Schicksal zu sein, es gibt sogar einen hier im Krankenhauszimmer, er hängt von der Decke runter. Roger sagte mir, ich müsste ein Trainingsvideo anschauen, bevor ich anfangen könnte. Er drückte auf Play, und auf dem Bildschirm waren zwei Männer und eine Frau zu sehen, nackt, außer den Schuhen der

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