Ein Mann von Welt
abgeliefert hatte. Plötzlich hörte ich hinter mir ein Rumpeln, irgendein Fahrzeug folgte mir sehr langsam auf der Straße. Ich schaute über meine Schulter, ich versuchte, das sehr lässig zu machen, aber während ich das tat, fühlte ich mich alles andere als lässig, ich befürchtete so halb, es wäre Tante Liz oder ein Polizeiauto, aber es war ein Pickup mit einer offenen Pritsche voller Einkaufswagen. Der Fahrer fragte mich, ob der Einkaufswagen meiner wäre, ich sagte nein, ich sagte ihm, ich hätte ihn gefunden, ich wollte ihn zum Supermarkt zurückbringen, jemand hätte ihn hier einfach stehenlassen. Er guckte mich komisch an, er schaute die Straße rauf und runter und fragte, wo mein Pickup wäre. Ich sagte ihm, dass ich die Wagen zu Fuß zurückbrachte, und er sagte, ich müsste ziemlich viel Freizeit haben. Nicht mehr als andere Leute auch, sagte ich. Er sagte mir seinen Namen, er hieß Roland, und es wäre sein Beruf, vielmehr seine Berufung, in diversen Vierteln rumzufahren und stehengelassene Einkaufswagen einzusammeln,
die Läden gäben ihm eine kleine Belohnung für jeden Wagen, den er zurückbringen würde. Ich sagte ihm, das klänge nach einem schönen Job, und er sagte, das wäre es auch gewesen, bis er sich irgendwas im Rücken verrenkt hätte, und im Moment hätte er Schwierigkeiten und könnte Hilfe gebrauchen, ob ich Lust dazu hätte? Sein Arbeitstag wäre jetzt vorbei, sagte er, er war auf dem Weg, die Wagen abzugeben, er brauchte meine Hilfe also noch nicht, aber wenn ich morgen Zeit hätte, könnten wir uns am Vormittag treffen. Wir machten eine Zeit und einen Ort aus, und er fuhr weg. Ich schob den letzten Wagen den ganzen Weg zum Supermarkt, und dabei pfiff ich die Melodie, die ich komponiert hatte, und dachte mir, dass ich endlich den perfekten Job gefunden hatte.
Wegen alldem verpasste ich eine Sitzung bei Dr. Rosenkleig, ich meine, ich verpasste sie absichtlich, mir war bewusst, dass ich in seiner Praxis sein sollte, stattdessen brachte ich weiter Einkaufswagen zurück. Bei unserer letzten Sitzung hatte er unter diesen gewellten Bergen von Salz-und-Pfeffer-Haaren verkündet, dass der Schlüssel zur Zukunft in der Vergangenheit lag. Und deshalb wollte er mit mir über deinen Großvater sprechen, er wollte den Tod deines Großvaters und meine damit verbundenen Gefühle thematisieren. Abgesehen von den Momenten, in denen er seine Fäden durchschnitt, war Dr. Rosenkleig nach wie vor eine Marionette, und außerdem ein Profi, und ich wollte ganz sicher nicht mit ihm über deinen Großvater sprechen. Meine Zurückhaltung weckte in ihm, also Dr. Rosenkleig, den Ver
dacht, dass ich etwas versteckte, eine emotionale Wunde, seine Worte, und es machte ihn umso mehr besorgt, dass ich nicht bereit war, mich mit Themen aus meiner Vergangenheit auseinanderzusetzen, es machte ihn besorgt, dass ich meinen Dämonen nicht ins Auge sehen wollte. Ich suchte weit und breit, wie man so sagt, nach diesen Dämonen, Juan-George, aber ich konnte sie nicht finden. Deshalb gehörte zu meinem Plan, meinem eigenen Plan, alle zukünftigen Termine bei Dr. Rosenkleig sausen zu lassen. Später, viel später spielte mir jemand eine Information zu, die schockierend und aufschlussreich und dennoch eigentlich nicht überraschend war: Dr. Rosenkleig wurde sogar dann bezahlt, wenn ich bei einer Sitzung nicht erschien, was bedeutete, dass es, also ich meine finanziell, aus geschäftlicher Sicht, die beste Strategie war – noch besser, als besonders langsam zu denken und zu sprechen –, einfach zu hoffen, dass nie jemand zu seinen Terminen kam.
Ich wusste, dass Tante Liz über den Plan, den ich gefasst hatte, den Plan, den ich ganz allein und für mich in Panorama City entdeckt hatte, nicht glücklich sein würde, ich wusste, sie würde etwas dagegen haben, denn es war nicht ihr Plan für mich, ich wusste, sie würde unglücklich darüber sein, dass ich weder zur Arbeit noch zu Dr. Rosenkleig gegangen war, ich wusste, mir stand eine lange Diskussion bevor, dass ich Ärger bekommen und Tante Liz mit mir schimpfen würde, wie das manchmal passiert war, als ich ein kleiner Junge war, aber ehrlich gesagt, machte ich mir keine großen Sorgen, ich könnte einstecken, was immer Tante Liz austeilen
wollte, ich könnte mit allem umgehen. Weil ich wieder, wie schon damals in Madera als Jugendlicher, ein Schutzschild geworden war, aber während ich in Madera die Schwachen geschützt hatte, die Opfer von fiesen Typen in der Schule,
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