Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mann von Welt

Ein Mann von Welt

Titel: Ein Mann von Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Wilson
Vom Netzwerk:
ist ein Wunder, das ich dir zu verdanken habe, Juan-George. Du, und deine zukünftigen Ohren, die das hier hören, du hast mir geholfen, du hast rückwärts durch die Zeit Einfluss genommen und mich ein wenig länger am Leben gehalten.
    UNBEABSICHTIGTE FOLGEN
    Als sie nach Hause kam, sah Tante Liz aus, als hätte sie seit Tagen nicht geschlafen, ihr rötliches Haar hing traurig runter, ihre Bluse mit dem Zebramuster war zerknittert. Sie öffnete die Tür und starrte mich mindestens zehn Sekunden lang an, bevor sie irgendetwas sagte. Und dann sagte sie, sie wüsste nicht, was sie mit mir machen sollte. Sie sagte, sie könnte nicht glauben, dass es wieder passiert war. Sie wusste es von Roger, dem Geschäftsführer, sie wusste es auch von Dr. Rosenkleig, sie hatte dann bei der Leuchtturmgemeinde nachgeschaut, sie war sogar zum Gebäude von diesem Paul Renfro gefahren, wo sie nur einen wütenden Vermieter vorgefunden hatte. Sie wusste nicht, was sie mit mir machen sollte, das wiederholte sie in einer Tour. Sie war am Ende ihres sogenannten Lateins. Wie sollte sie sich um mich kümmern, wenn ich mich immer wieder so verhielt, wenn ich immer wieder Rückfälle hatte, das war der Ausdruck, den sie verwendete. Ich hätte so gute Fortschritte gemacht, meine Bewertungen nach einem Monat wären so positiv gewesen, was war geschehen, warum diese Rückschritte? War mir all das positive Feedback zu Kopf gestiegen? Für sie stand fest, dass alles mit den Stecknadeln begonnen hatte, und obwohl sie zugestimmt hatte, dass ich sie mir nur ausgeliehen hatte, hatte ihr die Sache doch große Sorge bereitet, und sie hätte mich härter rannehmen sollen, sie hätte gleich da liebevolle Strenge walten lassen müssen. Sie wollte und sie konnte nichts mit meiner Delinquenz, ihr Wort,
zu tun haben, sie hatte mich in der Hoffnung aufgenommen, sie könnte etwas von dem Schaden, den ihr Bruder, mein Vater, dein Großvater, verursacht hatte, wieder korrigieren – oder eher den Schaden, der aufgetreten war, weil er nichts getan hatte –, ihr wäre klar, dass ich mich immer noch in der Umstellungsphase befand, Dr. Rosenkleig hätte ihr erklärt, dass dieser Prozess stets nach dem Muster einen Schritt vor, zwei Schritte zurück oder zwei Schritte vor und einen Schritt zurück ablief, sie wusste es nicht mehr genau, aber wie dem auch sei, jetzt wäre die Zeit für einen Schritt nach vorn gekommen, jetzt wäre der Zeitpunkt gekommen, wo ich mich zusammenreißen müsste, noch mal so ein Tag wie heute, sagte sie, und ich kann für nichts garantieren, ihre Worte, alles, was sie sagen konnte, war, dass sie für nichts garantieren konnte. Während sie redete, reagierte ich nicht und widersprach nicht, ihr erzählte ihr nicht von meinem neuen Job mit den Einkaufswagen, ich erzählte ihr nicht, wie das Busfahren zu einer neuen Art des Denkens geführt hatte, ich erzählte ihr nichts von meinem eigenen Plan für mein eigenes Leben. Das alles kam ohne Unterbrechung wie ein einziger Redeschwall aus ihrem Mund, und während sie sprach, hörte ich etwas anderem zu, etwas, was nur ich hören konnte, weil nur ich darauf achtete, Tante Liz war viel zu aufgeregt, um das zu bemerken: Ich hörte darauf, wie Paul Renfro auf und ab ging, ich hörte auf den Rhythmus seiner Schritte und es war, als wären meine Ohren in einer anderen Welt, einer höheren Welt des fortgeschrittenen Denkens, einer Welt, in der die Geschichte nach vorne gebracht wird. Während Tante Liz mit mir schimpfte, wurde ich in
meinem Kopf vom Rhythmus seiner Schritte, einem Rhythmus, der von seiner unkonventionellen Krücke noch unterstrichen wurde, davongetragen, auf eine andere, intellektuellere Ebene. Tante Liz erörterte die Möglichkeit, Miete von mir zu verlangen, und sprach über das Problem meiner Teflon-Einstellung gegenüber Eigenverantwortung, ihre Worte, und die Schwierigkeiten, die in meiner sogenannten Umstellungsphase dazugehörten, angesichts der unfassbaren Entbehrungen meiner Jugend, aber selbst als alle diese Worte in meinen Kopf kamen und dort blieben, um erst jetzt wieder herauszukommen, selbst dann, ganz ähnlich wie damals an der Friteuse an dem Tag, als ich die ungewöhnlich lange Pommes fand, gelangte ich auf den Weg des denkenden Menschen, zu Autonomie und Selbstbestimmung, und ließ Tante Liz nicht die Bedingungen der Situation diktieren, ich hatte buchstäblich anderes im Sinn, ich war als Schutzschild viel stärker. Ich stellte mir vor, oder versuchte zumindest mir

Weitere Kostenlose Bücher